http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1983-3/0087
Die Reformationszeit und die Zustände in der Stadt Kenzingen sind Hermann Sussann in
der Darstellung um so mehr wert, als eine für ihn ganz bedeutende Persönlichkeit dabei
in Betracht kommt, der Magister Jakob Otter. Er war der Mann, der im Jahre 1524 die
Geschichte der kleinen Stadt leiten und ihr eine unvorhergesehene Bedeutung verschaffen
sollte. In seiner Dissertation zur Erlangung der philosophischen Doktorwürde legt
der Reallehrer am 23.6.1892 der philosophischen Fakultät der Universität Freiburg sein
bedeutendstes Werk vor:
»Jakob Otter - ein Beitrag zur Geschichte der Reformation«9'.
Diese Arbeit gilt nach dem von Professor Dr. von Holst abgegebenen Gutachten als eine
sehr fleißige Studie, der schon wegen des verwendeten handschriftlichen Materials unstreitig
wissenschaftlicher Wert nicht abgesprochen werden kann.10).
Die wichtigsten, größtenteils ungedruckten Quellen befinden sich im Sankt Thomas-
Archiv in Straßburg, wo man auf seine Veranlassung nach langem und mühsamem Suchen
im November 1889 ein bedeutendes Manuskript wieder aufgefunden hat, im Generallandesarchiv
Karlsruhe, in der Universitätsbibliothek Heidelberg, im königlichen
Staatsfilialarchiv Ludwigsburg, in den städtischen Archiven Freiburg und Kenzingen u.a..
Der unermüdliche Forschungs- und Arbeitseifer Sussanns schenkt auch im Jahre 1889
der dankbaren Einwohnerschaft und der Anstalt eine umfangreiche Abhandlung lokalgeschichtlicher
Art: »Kenzingen im Bauernkrieg«1".
Er schreibt nach Vollendung derselben einen Brief12'an den Gemeinderat Kenzingen:
Er lautet:
»Die freundliche Aufnahme und das warme Interesse, welches meinen geschichtlichen
Arbeiten bei der hiesigen Bevölkerung entgegengebracht wurde, sowie die vielen und ehrenvollen
Anerkennungen, die ihnen von fachmännischer Seite zuteil wurden, haben
mich veranlaßt, auch in diesem Jahre eine Fortsetzung derselben als Programmbeigabe
erscheinen zu lassen. Ich habe auch diesmal weder Zeit noch Mühe gespart, um der Stadt
Kenzingen, die eine so reiche historische Vergangenheit hat, durch Vorführung der Taten
ihrer Vorfahren in einer äusserst interessanten Periode eine erneute Huldigung darzubringen
. Gehört es doch zu den schönsten Bedürfnissen des Menschen, daß er nicht bloss der
Gegenwart leben will, sondern auch der Zukunft und Vergangenheit; dass er wissen will,
woher und wohin der Strom des Menschenlebens fliesst, namentlich aber, was das
Schicksal der frühern Geschlechter war in Freud und Leid, ob und wie die Väter die erhabene
A ufgabe vollendeten, die den Menschen gestellt ist. Wenn auch unsere Zeit sich verhältnismässig
wenig mit der Vergangenheit beschäftigt und bei vielen unserer Zeitgenossen
gegenüber den so gesteigerten Anforderungen, welche die Gegenwart stellt, die Teilnahme
für die Thaten der Vorfahren etwas getrübt erscheint, so bleibt es doch ein wahres
Wort, dass nur das Geschlecht auf Anerkennung der Nachwelt Anspruch erheben
darf, das seinerseits der Vorwelt diese Anerkennung nicht versagt hat.
In diesem Sinne darf ich wohl annehmen, dass meine Arbeit abermals freundliche Aufnahme
bei der Bevölkerung finden werde.
Darum stelle ich der Gemeinde zu Händen des Herrn Bürgermeisters 100 Exemplare zur
Verfügung und werde auch den Schülern der höheren Bürgerschule je ein Exemplar überreichen...
Kenzingen, den 18. Juli 1889.
Eines löblichen Gemeinderats
ergebenster
Hermann Sussann «
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