Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
4. Jahrgang.1984
Seite: 96
(PDF, 33 MB)
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die Stellung halten - auch wenn es so sehr regnet, daß man buchstäblich keinen Hund vor
die Tür jagen würde.

»Dieses Jahr war's besonders schlimm.« Im Februar, als es so kalt und die Wiesen vereist
waren, seien ihm die Schäf fast am Boden festgefroren. Und nachher sei das Gras unter
dem Eis schier erstickt und nach dem strengen Winter soweit zurückgeblieben, daß er habe
Heu zukaufen müssen wie schon lange nicht mehr.

Nein, ein lukratives Geschäft ist die Schäferei beileibe nicht. Seitdem Wolle so billig aus
Frankreich oder Australien eingeführt wird, ist damit kaum mehr etwas verdient. Nur
das Fleisch bringe noch ein wenig Gewinn. Sein Chef hat selbst früher noch zehn Herden
betrieben. Heute sind nur noch zwei übriggeblieben. Eine davon ist ihm anvertraut. Mit
seinen 300 Schafen wandert Emil Strähler schon seit Jahren von der Alb ins Rheintal.
Hier in Kenzingen hat er sein Winterquartier aufgeschlagen.

Im Winter ist das Rheintal seine Heimat

»Am 16. Dezember bin ich von daheim fort und jetzt seit Anfang Januar in Kenzingen.«
Kost und Logis bekommt Emil Strähler immer im gleichen Haus bei einem Landwirt. Die
Bäuerin kocht ihm abends noch ein warmes Essen, dann wird der Mostkrug vorgeholt
(extra für ihn) und manchmal hinterher noch für eine Stunde an den Stammtisch gegangen
. »Damit man halt doch noch ein wenig unter die Leut kommt. Aber nicht oft. Meistens
bin ich zu müd.«

Morgens um fünf Uhr fängt der Tag wieder an für Emil Strähler.
In den letzten Wochen gab es jeden Tag Nachwuchs in der Herde. »Manchmal 22 Lämmer
am Tag und oft Zwillinge.« Aber davon nehme die Chefin mit dem Auto jeweils eines
mit heim und ziehe es im Stall mit dem Schoppen auf. »Sonst wird's zuviel für die
Mutter.«

Zwillinge bleiben meist schwächlicher und hätten es schwer, zu Fuß über den Schwarzwald
heimzukommen, wenn es jetzt wieder losgeht in Richtung Heimat. Deshalb wird rigoros
aussortiert. Nur die stärksten haben eine Chance.

Emil Strähler zeigt auf zwei Lämmer, die ihm schon seit Tagen auffallen, weil sie einfach
nicht so munter seien wie die anderen. »Davon schlachte ich jetzt eines und ziehe das Fell
einem Zwilling über. Dann nimmt die Alte nämlich auch das fremde Junge an.«

Mein erstaunter Blick amüsiert ihn: »Ja, das sieht aus wie ein kleiner Schlafanzug«, lacht
mein Gesprächspartner. Mittlerweile ist er ein wenig aufgeschlossener geworden. Die
Sonne scheint diesen Mittag zum ersten Mal auf die noch kargen Wiesen, und Emil
Strähler blinzelt jetzt ganz zuversichtlich in die Sonne.

Am 1. April muß das Feld geräumt sein

»Wenn's so bleibt, soll's mir recht sein.« Am 1. April ist Termin für die Wanderschäfer.
Da müssen die Wiesen im Rheintal verlassen und für die hiesigen Bauern geräumt werden
. Dieses Jahr wurde der Termin auf den 7. April verlängert wegen der schlechten Witterung
- aber die Bauern drängen zum Teil schon.

»Bei denen sind die Schäfer halt nicht so gern gesehen.« Sobald das erste Gras kommt,
werden viele ungeduldig. Aber Emil Strähler meint dennoch, daß er mit den meisten Bauern
gut auskomme. »Es gibt eben solche und solche. Wie bei den Schäfern auch. Einige
haben immer etwas zum Streiten und andere stecken halt ihre Wiesen vorher ab. Dann
wissen wir, daß wir nicht hinüber sollen und halten uns auch daran.« Einen Pfahl mit einem
Strohbusch oder Reisig »aufzustecken«, gilt auch heute noch als eine Art Parkverbot
für die Schäfer. Diese alte Gepflogenheit hat sich bis heute gehalten. Es ist eine stille
Übereinkunft zwischen Wanderschäfern und Landwirten.

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