Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
4. Jahrgang.1984
Seite: 97
(PDF, 33 MB)
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Von April bis Juni auf dem Heimweg

Übers Glottertal, St. Peter, St. Märgen, Waldau, Urach, Hammereisenbach, Wolterdingen
und Bad Dürrheim führt der Weg, soweit es geht »abseits der Landstraße« heim auf
die Alb. Bis Juni ist Emil Strähler unterwegs. Die meiste Zeit allein mit dem Hund, der
Eselin Susi, die den Elektrozaun tragen muß und den pausenlos blökenden Schafen.

Das Alleinsein ist er gewohnt. Es macht ihm auch weniger aus als die Kälte und der
Wind, die ihm mit zunehmendem Alter mehr zu schaffen machen. Der Ischias plage ihn
seit Oktober. »Aber ich kann ja nicht ins Bett.«

Nur aus Treue zum Betrieb bleibt Emil Strähler noch ein paar Jahre bei seinen Schafen.
Aber dann will er endgültig seßhaft werden, zuhause seine paar Hektar Wiesen und
Ackerland umtreiben und ausruhen.

Die Bedürfnisse sind in den Jahren klein geworden; ein warmes Essen, ein Bett und ein
Krug Most - mehr braucht Emil Strähler nicht. Urlaub hat er nie gekannt. Sein einziges
»Vergnügen« war in früheren Jahren noch der Schäferlauf in Markgröningen - aber mittlerweile
hat man sogar das fast abgeschrieben.

Von seiner Frau erzählt Emil Strähler nicht viel. Er nimmt hin, daß er die meiste Zeit des
Jahres allein ist. Alles ist Gewohnheit - aber ob es Jüngere noch so hinnehmen würden,
bezweifelt auch Emil Strähler. Er hat jetzt zwar einen Lehrling aus Hecklingen und sagt,
der stelle sich ganz gut an mit den Schafen - aber ob er ein Nachfolger für ihn wird, weiß
man nicht.

»Die Wanderschäferei« hat keine Zukunft mehr. Heutzutage gelten andere Maßstäbe.«
Emil Strähler versteht auch nicht, daß sein »Stift« ausgerechnet in der Zeit, wo man ihn
am nötigsten braucht, nach Hohenheim zum Blockschulunterricht soll. »Die Planung ist
halt nix«, ist seine Meinung. Wenn man bei den Schafen gebraucht wird, gibst keine Ausrede
. So hat er es gelernt und so seinen Beruf verstanden - schon über 40 Jahre lang, tagein
- tagaus ohne Ostern, Weihnachten oder Feiertage.

Abb. 2: Schon seit dreißig Jahren steht der
Schafstall in Kenzingen und gehört inzwischen
zum festen Bestandteil des Elz-Wiesen-
Gebietes. Bilder: Weber

»Und dann kommen manche noch und meinen, das sei romantisch.« Als Fotoobjekt: die
Spuren von Sonne, Wind und Kälte auf dem vom Wetter gegerbten Gesicht, ein Hauch
von Unabhängigkeit und zugleich ein Gefühl von Verantwortung für die »Schäf«, die
ihm anvertraut sind - all das meint man im Bild einfangen zu können, das Emil Strähler
verkörpert, wenn man ihm draußen begegnet.

Aber vielleicht ist es gut, auch einmal zu überlegen, warum Wanderschäfer manchmal ein
wenig verdrießlich dreinschauen oder verstockt scheinen und uns ein wenig mehr in Geduld
zu üben, wenn ihre Herde unseren Weg kreuzt oder die Wiesen überqueren. Vielleicht
ist es doch ein gutes Zeichen: da wo noch Platz ist für Schäfer, ist Platz für Bauern,
Tiere und Menschen - und für manches Überbleibsel einer trotz vieler Entbehrungen uns
so etwas »heil« erscheinenden Welt ...

Christa Hülter-Haßler

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