Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
4. Jahrgang.1984
Seite: 105
(PDF, 33 MB)
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schickt suchen sie sich durch das politische Kräftespiel hindurchzulavieren, ohne das Risiko eines
Konfliktes einzugehen. Letzten Endes legte die Verfassungsurkunde nicht nur das Recht ihrer Stadt
Kenzingen, sondern auch ihr eigenes Recht fest. Hochkarätige Politiker des Oberrheingebiets bestätigten
es ihnen mit Brief und Siegel.

Es waren: Der Bischof von Straßburg, der Markgraf von Hachberg, der Graf von Freiburg, die Freiherren
von Geroldseck und von Schwarzenberg. Allein schon die Liste dieser Zeugen läßt deutlich erkennen
, daß der Rechtsakt von 1283 nicht eine beiläufige Routineangelegenheit war, sondern grundsätzliche
Bedeutung hatte. Die Herrschaftsgebiete der Genannten grenzten alle an das der Üsenber-
ger, so daß mit ihrem Siegel nicht nur das Verfassungs-Recht, sondern auch die Verfassungs-
Wirklichkeit garantiert wurde.

Wie schon mehrfach gesagt, griffen die Üsenberger für Kenzingen auf ein bewährtes Muster zurück,
das Recht der Stadt Freiburg. Aber: zu der Zeit, in der sie es übernahmen, hatte diese ihre ursprüngliche
Bewidmung von 1120 bereits wesentlich erweitert. Aus den sieben Bestimmungen des Beginns waren
ein Jahrhundert später in dem berühmten Stadtrodel schon achtzig geworden. Auf diese Vorlage
griffen die Üsenberger nicht zurück. Sie verwendeten lediglich einen erweiterten Gründungstext, der
nach 1178 aufgezeichnet wurde. Nur sechzehn Artikel übernahmen sie als Verfassungsgrundlage für
ihre Stadt.

Ich will versuchen, die wesentlichen Züge dieser gesellschaftlichen und politischen Ordnung kurz zu
skizzieren.

An der Spitze stand der »Herr«. Er stellte seinen Grund und Boden zur Verfügung und ließ um den
Ort eine Mauer mit Graben errichten. Das Innere teilte er in kleinere Hofstätten von 50 x 30 Fuß auf.
Jeder, der wollte, konnte sich darauf ein eigenes Haus bauen. Jährlich zu Martini mußte er dafür dem
Herrn einen Grundzins zahlen in Höhe von 12 Pfennig der üblichen, d.h. wohl Basler Währung. Was
das wertmäßig bedeutet, ist nur mit Vorbehalten anzugeben wegen der Vielfalt des mittelalterlichen
Münzwesens. Im 13. Jahrhundert finden wir zudem nur wenige Angaben, die uns eine Vorstellung
von der Kaufkraft geben können. In Landshut kostete 1250 ein Schaf 40 Pfennig, ein Eimer Frankenwein
70 Pfennig, für einen Laib Brot zahlte man in Straßburg 1 Pfennig. In Kenzingen gab man dem
Üsenberger demnach eher eine Anerkennungsgebühr. Ansonsten verpflichtete er die Bürger nur noch
dazu, daß ihm die Schneider und Schuster des Ortes Hosen und Schuhe stellen mußten, sobald er vom
König zur Heerfahrt gerufen wurde. Das war schon alles, was er seinen Kenzingern an Belastung zumutete
.

Doch so herzensgut war er auch wieder nicht, daß er andern nur eine Freude bereiten wollte. Er erwartet
von ihnen noch etwas mehr als die geringfügigen Abgaben und Dienste. In der Urkunde ist
der Ort mit verschiedenen Bezeichnungen belegt; sie deuten die verschiedenen Aufgabenbereiche an,
die der Herr zuwies: Befestigung, Markt, Stadt. Militärische, wirtschaftliche und politische Funktionen
sollte der Ort wirkungsvoll miteinander verbinden.

Als Festung mußte sich Kenzingen noch im 13. Jahrhundert bewähren, als König Adolf von Nassau
und sein Gegner Albrecht von Habsburg vor der Stadt lagen und jeder auf die Unterstützung des
Üsenbergers hoffte. Dieser entschied sich für den König, so daß der Habsburger nach vierzehntägiger
Belagerung abziehen mußte. Die Entscheidung bekam dem Stadtherrn in der Folgezeit schlecht, weil
er aufs falsche Pferd gesetzt hatte. Als Albrecht sich bald darauf durchsetzte, zog er die Herrschaft
Kenzingen für sich ein; Rudolf III. von Üsenberg durfte sie nur noch als Lehen der Habsburger empfangen
. Das bestätigt freilich auch die hohe strategische Bedeutung, die der Gründer Kenzingen beigemessen
hatte.

Wo Sicherheit gewährt werden konnte, war auch am ehesten der Aufschwung zu einem wirtschaftlichen
Mittelpunkt zu erwarten. Deshalb verpflichtete sich der Stadtherr anfangs für den Schutz aller
Besucher des Marktes Kenzingen. Zugleich erließ er den Einwohnern die Zollabgaben, die er in seinem
Herrschaftsgebiet zur Instandhaltung von Wegen, Brücken und ähnlichen Verkehrseinrichtungen
erheben konnte. Auch an einer Anlegestelle der Elz, Ladhof genannt, mußte kein Schiffszoll bezahlt
werden für Waren, die man in Kenzingen umsetzen wollte.

Von diesen wirtschaftlichen Vergünstigungen profitierten alle Kenzinger, ob sie nun das volle Bürgerrecht
besaßen oder nur dort wohnten.

Werfen wir noch einen Blick auf die Menschen, die in diesem Gemeinwesen lebten, auf ihre gesellschaftliche
und politische Ordnung. Wer Haus und Hof besaß, gehörte zu den Bürgern der Stadt, -
mit allen Rechten und Pflichten. Sie waren aus dem sie umgebenden Land durch ihre Rechtsstellung

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