Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
4. Jahrgang.1984
Seite: 111
(PDF, 33 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1984-4/0113
Mittelschiff und Seitenschiffe trennten die Hochschiffmauern über sechs hohen Jochen auf oktago-
nalen Pfeilern, denen je zwei kräftige 3/4 Säulen vorgelagert waren, auf deren Kapitelle und Kämpferplatten
die Rippenbogen der Gewölbe aufgeruht haben. Sämtliche Mauern und auch die Pfeiler
hatten einen Durchmesser von 110-115 cm. Die Pfeiler, Streben, Arkadenbogen, Fenster und Portalgewände
, Friese, Gesimse und auch die Sockelzone sind aus dem rötlichen Sandstein des Kirnfelsens
gehauen, während das Mauerwerk aus Bruchstein verschiedener, auch näher gelegener Steinbrüche
besteht und mit einem etwas heller-rötlichen Verputz überzogen war. Der Grundriß hat eine
symetrisch-regelmäßige Gestalt. Dies war dem Architekten hier deshalb möglich, weil er die Kirche
nicht auf ungefügem Fels, sondern auf Lehmgrund erbauen konnte. Regelmäßig und genau zwischen
die Streben waren die Fenster ins Mauerwerk eingelassen. Tiefe konische Nischen nach Innen ließen
das Licht auf die Gläubigen ausbreiten. Die unteren Fenster des Kirchenschiffes hatten eine lichte
Weite von 90 -110 cm und eine Höhe von ca. 280 -300 cm. Zweibahnig, also mit nur einer Mittelsprosse
versehen, sind sie in ihrem Bogenfeld mit kraftvollem, von Fenster zu Fenster verschieden gestaltetem
Kreismaßwerk gefüllt gewesen. Dieses mußte ziemlich massive Formen aufgewiesen haben um
der beträchtlichen Mauerlast »standzuhalten«, jedenfalls statisch zu entsprechen. Man kann annehmen
, daß es genau dem Maßwerk der hohen Fenster im Chor entsprochen hat, in den Leibungsschrägen
mäßig gehöhlt gewesen ist und geschlossene, aber tief gemeißelte Zwickelfüllungen (zwischen
Kreis und Bogenformen) besaß. Wenn nicht alles trügt, befinden sich noch vier der ursprünglichen
Maßwerke, von den Barockbauleuten sorgfältig aus der Mauer gelöst, in den heutigen Seitenkapellen,
drei davon über den Hürnheim-Epitaphen. Sie haben alle verschiedene Kreisfüllungen, blattförmige
Einsätze, den Dreipaß in Kleeblattform, den Vier-, Fünf- und den Sechspaß, gebildet aus scharfgeschnittenen
»Nasen«, getragen von zwei spitzbogigen gleichscheitligen Lanzetten und der sie trennen
den Sprosse. Die Dreipaßform ist in Abbildung 3 wiedergegeben.

Der für eine Pfarrkirche imposante hohe Chor wird
von mächtigen Außenstreben gehalten und zusammen
mit dem Triumpfbogen zwischen die beiden
Türme unverrückbar eingespannt. Er ist der stabilste
Teil des ganzen Baues und mußte es mit seinen hohen
und breiten Fensteröffnungen notwendigerweise
auch sein. Er ist aufgebaut auf von fünf Seiten des
Achtecks gebildetem Grundriß, der von der Hochgotik
bevorzugten oktagonalen Grundform. Die
Fenster gewähren einen ungehinderten Einfall des
Lichtes von Morgen über das Prespyterium und vor
allem den ursprünglichen Blockaltar, so daß die sakramentalen
Gefäße während der Messe aufleuchteten
, auch wenn die Sonne verdeckt war. Handlung
und Wandlung des Priesters am Altar mußten in ihrer
ganzen Würde, Schönheit und Verbindlichkeit
gesehen-, miterlebt, mitgefeiert werden können,
Gott zum Lob und dem Menschenherzen zur stillen
Erinnerung an das Opfer des Erlösers.
Die hohen Fenster der Chorapsis haben prachtvolles
geometrisches, aus dem Zirkelschlag entwickeltes
Abb. 3: Maßwerk; große Kreisfüllungen mit 3, 4 und 5 Päs-

Dreipaß-Maßwerk (Skizze) sen und seitlichen Rondellen mit eingeschriebenem

Kleeblatt. Zwei massive Sprossen teilen die Fenster
in drei senkrechte Bahnen, auch Lanzetten genannt, wobei die mittlere höher greift. Diese Grundstruktur
des Kenzinger Maßwerks ist zugleich typisch für die Zeit um 1300 und das erste Viertel des
14. Jahrhunderts - wie durch die elegante Kehlung der Stege - für süddeutsche, vor allem die Konstan-
zisch/Salem'sche Baukunst! Die den Türmen zunächst stehenden Chorfenster sind schmaler und nur
einsprossig, im Kreis des Maßwerks ist ein Dreipaß, in den seitlichen Rondells ebenfalls ein Kleeblatt
eingelassen. Auch hier sind die Schrägflächen des Steinwerkes flach gehöhlt und heben dadurch die
massiven geschlossenen Formen und Schärfen exakter Steinmetzarbeit der späten Frühgotik, wohltuend
für das Auge, etwas auf.

Ein ungewöhnliches Erlebnis jedoch ist das hohe und breitere Mittelfenster - man betrachte es von
Außen! Es ist 4-bahnig, die drei Sprossen tragen ein aesthetisch ausgewogenes, einzigartiges Maßwerk
! Nach dem klassischen Vorbild der französischen Kathedralen, aber wohl direkt in Konstanz und
Straßburg vorgebildet, vermeidet es die starre Strenge und trockene Härte französischen Fenstermaßwerkes
durch eine einfachere und plastisch weichere Gestaltung und durch die den Grundformen aufgelegten
3/4-Rundstäbe, welche auch die gewaltige Mandorla-Form zwischen den Streben, auszeichnen.

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