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Früchte ausgeartet sind; alsdann stuzt man die großen Aeste in einiger Entfernung vom
Stamme ab, dadurch wird der Baum verjüngt, und trägt größere und reichlichere
Früchte.«
Das von dem hessischen Pfarrer und Pomologen J.L. Christ 1802 veröffentlichte damalige
Standardwerk »Handbuch über die Obstbaumzucht« (2) nennt die Schwarze Maulbeere
den »vorzüglichsten Beerenobstbaum« in unsern Gärten und an unsern Häusern«. »Ungeachtet
seines warmen Vaterlandes hat er sich doch überaus wohl an unser Clima gewöhnt,
dauert unsere stärksten Winter aus, wenn er nur eine etwas gedeckte Lage hat und bringt
alljährlich seine angenehmen Früchte schön, groß, und zu ihrer Zeit von Anfang Augusts
bis Ende September reif.« Und weiter heißt es bei Christ: »Der Maulbeerbaum wird nicht
sonderlich ansehnlich, und etwa 20 Fuß (= 6 m) hoch, macht eine weit umher ausgebreitete
, strotzige Krone und dicken Schaft, der zwar gern schief wächst. ... Er ist ein überaus
williger und fruchtbarer Baum. Sogleich im zweyten Jahr, sobald er nur seine Krone
macht, fängt er an zu tragen, und reichen 8 Wochen lang seine nach und nach reifenden
angenehmen, saftigen, säuerlich süßen, weinhaften Früchte, seine gesunden, halbfingerlangen
Beeren zum Genuß, so daß eine ganze Familie an den Früchten eines erwachsenen
Maulbeerbaumes immer satt zu essen haben. Es wäre ein ganz außerordentlicher Fall,
wenn sie in einem Jahr ausbleiben sollten. Denn da dieser Baum spät in Saft tritt und austreibt
, und seine Blumen und Beeren aus dem jungen Holz kommen, so leidet seine Fruchtbarkeit
nicht leicht durch die Frühlingsfröste. Überhaupt ist er ein recht lieber Baum.«
Schließlich erörtert das Christ'sche Handbuch noch die intensive Erziehung: »Die Zwergmaulbeerbäume
werden wie andere an den Spalieren gezogen, und an ihnen weiter nichts
geschnitten, als etwa im Frühjahr oder Sommer einen oder den andern jungen Jahrestrieb
in der Mitte des Baums, um hinreichend Holz zu Bekleidung der Mauer zu gewinnen; und
wenn sie einmal ihre Stelle bekleiden, so werden ihnen auch ihre Zweige aus besagter Ursache
nie verstutzet, sondern solche nach ihrer ganzen Länge wagerecht fortgeleitet, und darauf
gesehehn, daß anstatt des im Winter weggenommenen sehr alten, zu lang gewordenen
oder nackten Holzes niedriger sitzendes heranwachsendes junges Holz an seine Stelle aufgenommen
werde. Sie geben ungemein schöne und angenehme Spalierbäume, welche sich
am schönsten auf den Herzstamm ziehen lassen, und mit denen man gar keine Mühe hat,
als hauptsächlich, daß man sie alle Frühjahr ordentlich anheftet, man braucht oft gar kein
Messer bey ihnen, und die Augen, welche vorne heraustreiben wollen, drucket man im
Frühjahr mit dem Finger ab. Diese kommen aber selten. Sie wissen nichts von Wasserschossen
; alles ist an ihnen fruchtbringend.«
Landesherrliche Protektionen der
Weißen Maulbeere im 18. Jahrhundert
Wesentlich später als die Kultur der Schwarzen Maulbeere datiert in Europa die Anpflanzung
der ursprünglich in China und Italien beheimateten Weißen Maulbeeren. Die Seidenindustrie
mit dieser Futterpflanze entwickelte sich erst 1148 n.Chr. auf Sizilien, ab 1340
n.Chr. in der Toscana (3) und wohl bald danach in transalpinen Ländern. Im 18. Jahrhundert
war sie eines der wichtigsten Anliegen vieler deutscher Fürstenhäuser.
Die Maulbeer-Verordnungen des
Margrafen Carl Friedrich von Baden
Der aufgeklärte Markgraf Carl Friedrich, dem man im badischen Musterländle die Aufhebung
der Leibeigenschaft und die Einführung wichtiger landwirtschaftlicher Nutzpflanzen
verdankt (Kartoffel, Runkelrübe, Welschkorn, Tabak), gab in der Zeit von 1749 bis 1770
nicht weniger als 15 Verordnungen (8 »Generaldekrete«, 2 »Generalrescripte«, 2 »Früstli-
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