Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
5. Jahrgang.1985
Seite: 89
(PDF, 23 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1985-5/0091
An einem der nächsten Morgen, als Else wieder hinüber schaute, zum Haus an der Straßenbiegung
, da brach ihr fast das Herz. Männer machten sich damit zu schaffen, die schöne
junge Birke abzusägen, ihren Wurzelstock auszugraben und auf einem Stück des Gartens
alle Pflanzen und Blumen herauszureißen. Vermutlich wird dort ein Erweiterungsbau,
vielleicht eine Garage errichtet.

Unbegreiflich, daß die Menschen eine so natürliche Zierde, einen hoffnungsfrohen Baum,
wie es die junge Birke war, gnadenlos opfern können, um den weniger ideellen Ansprüchen
dienstbar zu sein. Noch unbegreiflicher aber war es für das Mädchen. Ihm wurde das liebgewonnene
Sinnbild für Liebe und Sehnsucht geraubt.

Mit dem ihr eigenen zurückhaltenden Wesen hat Else nie erfahren, wohin der junge Nachbar
, den sie seit dem Dorf fest nie wieder gesehen hat, wohin er wohl gekommen sein mag.
Auf den schmerzenden Ausblick am Fenster zum Beginn eines neuen Tages, hat sie verzichtet
.

Die Zeit heilt Wunden. Dazu half der alte Birnbaum, der, wie ein Zeichen der Treue, im
Garten weiter blühte und Früchte trug. In der heranwachsenden jungen Frau wurden Erinnerungen
wieder wach, die aus dem Geborgensein der Kinderjahre kamen. Die himmelstürmende
Sehnsucht machte nach und nach dem Gedanken Platz, der Pflichten erkennen
ließ, besonders gegenüber den älter werdenden Eltern. Da ihnen kein Sohn gesehenk war,
lag es wohl an Else, der ältesten Tochter vom Hof, einen Lebenskameraden zu finden, der
sowohl zu ihr wie auch zum Bauernhof paßt.

Die Erinnerungen an das kurze Märchen mit der Birke schwanden immer mehr. In ihrem
Herzen blühte eine neue Sehnsucht voll erwartungsfrohem Hoffen, und dies bei ihrer Arbeit
, beim beten und beim träumen. Ihre Gedanken waren nun ganz bei einem besonderen
Glück, das jede Generation vor ihr begründet und bewahrt hatte. Und sie fühlte sich verpflichtet
, das Vermächtnis im Hause der Vorfahren einzulösen, mit dem neu zu gründenden
Glück einer jungen Familie. So hat sich das liebenswerte Mädchen vom Bauernhof, getreu
der Familientradition, zu einem Lebensziel entschlossen, dem seine ganze Liebe gelten
soll. Ihr Entschluß wurde mitgetragen von der innigen Vorfreude, daß man sie wieder einmal
brauchen wird, die Schaukel am Birnbaum!

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