Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
5. Jahrgang.1985
Seite: 92
(PDF, 23 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1985-5/0094
Das mittelalterliche Kenzingen: Sein Weg vom Dorf zur Stadt

Oberflächlich und auf den ersten Blick betrachtet stellt sich die Gründung der Stadt Kenzingen
im Jahre 1249 entweder als Paukenschlag oder als genialer Schachzug des Rudolf
von Üsenberg dar. Betrachtet man den Grundriß der mittelalterlichen Stadtanlage, scheint
dies ein weiterer Beweis zu sein, daß hier der Stadtgründer eine Stadt auf der grünen Wiese
oder - wie es die historische Forschung des 19. und beginnenden 20 Jhs. formulierte - aus
»wilder Wurzel«, also ohne Einbeziehung oder Anlehnung an eine vorstädtische Siedlung,
errichtete. Beispielweise wurde bis vor eihigen Jahrzehnten die Breisgaumetropole Freiburg
als erste derartige Gründungsstadt im deutschsprachigen Raum betrachtet. Forschungen
der letzten Jahre bewiesen allerdings, daß Konrad von Zähringen, der Freiburger
Stadtgründer, 1120 an bereits vorhandene Siedlungen in der Oberen Au, Oberlinden und
bei der St. Martinskirche anschließen konnte bzw. diese berücksichtigen mußte. Die über
hundert Jahre später gegründete Stadt Kenzingen integrierte keine vorstädtische Siedlung
in ihren Grundriß, sondern wurde in einiger Entfernung vom Dorf Kenzingen gegründet,
von dem es auf den ersten Blick offenbar nur den Namen erhielt. Daneben lassen sich jedoch
weitere Kontinuitätslinien zwischen dem später als Altenkenzingen bezeichneten
Dorf und der Stadt aufzeigen, die deutlicher belegen, daß Kenzingen eben nicht »ad hoc«
und aus »wilder Wurzel« gegründet wurde, sondern seine Entstehung in gewisser Weise in
der Geschichte und der geographischen Lage des Dorfes bereits vorgezeichnet war.

Da schriftliche Zeugnisse fehlen, ist eine genaue zeitliche Eingrenzung der Besiedlung Ken-
zingens nicht möglich. Allein die Endung -ingen im Ortsnamen läßt den Schluß zu, daß die
Kenzinger Gemarkung im Zuge der alemannischen Landnahme in der Zeit zwischen dem
3. und 5. Jh. besiedelt wurde. Eindeutig faßbar wird der Ort durch die Erwähnung in
schriftlichen Zeugnissen: Der sogenannte Codex Laureshamensis verzeichnet, daß im Jahre
772 ein gewisser Eckehart seinen umfangreichen Besitz in der Kenzinger Gemarkung
dem Kloster Lorsch schenkte.1

In Kenzingen lassen sich bis zur Stadtwerdung mehrere Grundbesitzer nachweisen: Viele
weltliche und geistliche Herren, sowie verschiedenen Klöster wie beispielsweise Tennenbach
und Wonnental waren im Dorf und der Gemarkung Kenzingen mit kleinerem oder
größerem Besitz vertreten, wobei diese ständig neue Güter hinzuerwarben oder auch verkauften
. Schon das erste Zeugnis, das uns das Dorf Kenzingen im Jahre 772 belegt, liefert
ein typisches Bild, aus welchen Teilen sich die einzelnen Besitzungen in der Regel zusammensetzen
: Hufen, Wälder, Wiesen, Weingärten gingen zusammen mit Häusern und Wirtschaftsgebäuden
sowie dem dazugehörigen Gesinde an das Kloster Lorsch über. Dazu gehörten
auch Wasserrechte, die für eine Viehtränke, zur Bewässerung der Felder und vielleicht
sogar zur Betreibung einer Mühle genutzt wurden. Üblicherweise gehörte der schollengebundene
Hörige nach den mittelalterlichen Rechtsverhältnissen zum Grundbesitz und
wechselte beim Verkauf ebenfalls den Besitzer.

Neben einer Vielzahl kleinerer Eigentümer existierten im Dorf Kenzingen zwei große Höfe
mit umfangreichen Grundstücken und zahlreichen Hörigen, die sich seit dem 9. bzw. 10
Jh. im Besitz der Klöster Andlau und Einsiedeln befanden und für die weitere Entwicklung
des Dorfes bis zur Stadtgründung von entscheidender Bedeutung wurden. Die 880/906 für
das Kloster Andlau erlassenen Statuten nennen erstmals die Besitzungen in Kenzingen, die
vermutlich im Jahre 862 zusammen mit anderen breisgauischen Gütern in Kiechlingsber-
gen am Kaiserstuhl, Endingen, Bahlingen und Sexau vom Karolinger Ludwig dem Deutschen
als Morgengabe an Richgard, der Gemahling seines Sohnes Karl, geschenkt wurde.2
Die elsässische Grafentochter reichte diese Güter dem von ihr gegründeten Kloster Andlau
im Elsaß weiter. Dessen Statuten, die das klösterliche Leben regeln sollten, enthielten auch
diese Besitzungen betreffende Weisungen, wonach nur die Güter in Kenzingen und Endin-

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