Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
5. Jahrgang.1985
Seite: 96
(PDF, 23 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1985-5/0098
In der Stadtrechtsurkunde von 1283 finden sich viele Bestimmungen, die die wirtschaftliche
Stellung Kenzingens und den Marktverkehr begünstigen sollten. Die Befreiung der
Bürger und Bewohner der Stadt vom Marktzoll und den Zollabgaben, die für die Schiffsgüter
, die die Elz herauftransportiert wurden, bezahlt werden mußten, sollten vermutlich
Kaufleute und Händler bewegen, sich in Kenzingen niederzulassen.

Eine Wertung und Gewichtung der einzelnen Aspekte ist nicht einfach, da offensichtlich
eine Vermischung von politischen, militärischen und wirtschaftlichen Motiven vorliegt.
Allgemein läßt sich festhalten, daß der nördliche Teil der Üsenberger Besitzungen einen lokalen
wirtschaftlichen Mittelpunkt benötigte, der sich in den Händen des Geschlechts befinden
mußte. Dies war sowohl vom wirtschaftlichen als auch vom machtpolitischen Gesichtspunkt
her für die Üsenberger äußerst wichtig, deren Herrschaftsgebiet wohl ursprünglich
am Kaisestuhl mit dem Markt Endingen als Mittelpunkt lag. Für den Stadtgründer
erscheint zudem die Möglichkeit des Gütertransports auf der Elz relevant. Je mehr es
dem Stadtherrn gelingen konnte, neben dem lokalen einen größeren regionalen Marktverkehr
in der Stadt zu etablieren, um so größer wurden seine finanziellen Einnahmen. Die
Ausführungen über das Dorf Kenzingen zeigten, daß die Üsenberger im Kenzinger Gebiet
durch den Mißbrauch vogteilicher Rechte eine starke Machtstellung erlangt hatten, die sie
im Laufe der Zeit weiter ausbauten. Daß die Üsenberger nicht das Dorf Kenzingen oder
Teile davon zur Stadt erhoben, wie sie 1285/86 mit dem Dorf Endingen verfuhren11, ist
vermutlich auf militätische Motive zurückzuführen. Rudolf IL von Üsenberg errichtete die
neue Stadt an einer strategisch günstiger gelegennen Stelle, die sowohl den Übergang über
die Elz kontrollierte als auch durch ihre Insellage gut geschützt war.

Überblickt man nun die Geschichte Kenzingens von der ersten schriftlichen Erwähnung im
Jahre 772 bis zur Gründung der Stadt 1249, so lassen sich deutliche Kontinuitätslinien in
der Entwicklung Kenzingens vom Dorf zur Stadt feststellen. Im 8. und 9. Jh. bestand das
Dorf aus zwei Siedlungskernen - dem Andlauer und dem Einsiedler-Hof - sowie aus Besitzungen
mehrerer anderer weltlicher und geistlicher Grundherren. Die für jeden der beiden
Höfe zu belegenden Kirchen St. Georg und St. Peter zeigen, daß sich in dieser frühen Zeit
noch kein geschlossener Dorfverband herausgebildet hatte, sondern beide Teil des Dorfes
weitgehend unabhängig voneinander existierten.

Eine Aufzeichnung des Klosters St. Georgen im Schwarzwald 12 nennt im 11. Jh. einen
»Arnoldus capitaneus« vom »Castrum Canzingen«. »Capitaneus« bezeichnete einen reichen
Grundherrn, der über Eigenbesitz, Kirchenlehen, Bürgern und eigene abhängige Leute
verfügte. Der Begriff »Castrum« meinte vielleicht die Burg Kürnberg einschließlich der
zum Herrschaftsbereich von Kenzingen gehörenden Teile. Arnold von Kenzingen besaß in
und um das Dorf eine starke Machtstellung und übte dort Herrschaftsrechte aus. Eine Beziehung
oder gar Abhängigkeit des »Capitaneus« von den Üsenbergern läßt sich nicht
nachweisen. Die Üsenberger mußten jedoch, um ihre Machtstellung in diesem Gebiet zu
erlangen, den Einfluß des »Capitaneus« zurückdrängen oder diesen von sich abhängig machen
. Wann und wie sich die Üsenberger letztendlich durchsetzten, läßt sich leider nicht
mehr rekonstruieren.

Die Machtstellung der Üsenberger beruhte zum großen Teil auf dem Mißbrauch vogteilicher
Rechte. Ihre starke Stellung in diesem Gebiet machte aus politischen und wirtschaftlichen
Gründen über kurz oder lang eine Stadt in oder bei Kenzingen notwendig. Daß Rudolf
IL von Üsenberg die Stadt Kenzingen gerade im Jahre 1249 und an dieser Stelle an der
Elz völlig neu anlegte, ist vermutlich auf die politischen und militärischen Kämpfe der Zeit
im Oberrheingebiet und der damit verbundenen Notwendigkeit einer strategischen günstigen
Position zurückzuführen.

Jürgen Treffeisen

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