Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
6. Jahrgang.1986
Seite: 34
(PDF, 21 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1986-6/0036
sehen Trottbett hatten mehrere Fuhren Trauben Platz. War der »Sack« fertig geschichtet,
so drückte man ihm vornen und hinten Bengel parallel ein, deckte diese mit starken eichenen
»Flöcklingen« zog die »Mohren« (die eichenen Preßhölzer) über sie und legte deren
übereinander bis zum Trottbaum hinauf. Vornen am Spindelbaum harrte schon der durchgesteckte
starke Bengel des Zudrehens. Jetzt konnte man lustig im Kreise um die Spindelsteine
springen. Zuerst ging es wie geschmiert, da die Last des Trottbaumes selber drückte,
allmählich aber langsamer und immer herber; man brauchte Vorspann. Der Trottbaum
senkte sich immer tiefer, so daß man beim Darunterdurchgehen sich bücken mußte. Die
beiden riesigen Steine, die unten am Spindelbaum befestigt waren, hoben sich frei in die
Höhe und verursachten dadurch einen ungeheueren Hebeldruck des Trottbaumes auf die
Traubenschicht am anderen Ende. Hinter dem Trottbett war der Baum nämlich in zwei
ganz gleiche, senkrecht nebeneinander stehende und deshalb »Geschwistrig« genannte
Eichbaumklötze im Winkel auf- und abwärts drehbar eingelassen. Die Geschwistrig hinwiederum
waren unten in horizontal über dem Boden laufende, lange Eichenstämme so
verankert, daß sie bei dem furchtbaren Druck nicht nachgeben konnten. Die Trotte ächzte
und krachte unter der Spannung, als ob sie bersten wollte. Der Most schoß in Strömen zu
beiden Seiten des etwas geneigten Trottbettes herab und staute sich zum kleinen See, wenn
der Abfluß sich mit Beeren verstopfte. Bald füllte sich der große Zuber, und man konnte
nach Herzenslust den honigsüßen Most schlürfen. Klebten die Finger von ihm zusammen,
so war er besonders zuckerreich. Lief der Most nicht mehr stark vom Trottbrett herab, so
wurde die Spindel aufgedreht und der breitgedrückte »Sack« an den vier Seiten außen »behauen
«, die Abfallstücke oben aufgeschichtet, Flöcklinge und Mohren wieder aufgelegt,
und der Tanz um den Spindelbaum vornen begann aufs neue, bis zuletzt ein ganz trockener
, hart gepreßter Tresterkuchen übrig blieb, den man später zu Tresterwasser brannte.

Auf unserer Trotte wollten, weil sie so bequem war und so mächtig arbeitete, auch noch
viele andere, die keine Keltern hatten, ihre Trauben trotten, sodaß mehrere Tage und
Nächte Hochbetrieb war, und wir immer süßen Most trinken konnten. Einmal fraßen unsere
jungen »Gockler« von den schon gärenden Trestern und torkelten hierauf berauscht
im Hof herum zu unserer aller Gaudium.

Aus dem Trottzuber trug man den Most in die großen Gärfässer des Kellers. Wir hatten
solche von neun und zwölf Ohm (13,5 und 18 hl). In ihnen konnte der süße Most in der
Gärung sich austoben. Man hörte ihn darin kochen und zischen. War das Faß ziemlich
voll, so wollte er stürmisch auch oben zum Spundloch hinausschäumen. Er wurde nach einigen
Tagen der Gärung weißlich trüb und bitter; ich liebte ihn dann nicht mehr, während
die Großen ihn süß verschmähten, aber um so lieber tranken, wenn er »riß«. Allmählich
klärt er sich zu hellem Wein und setzt die Hefe am Boden des Fasses ab.

Unsere Klostertrotte aber lebt gar nicht mehr. Beim Verkaufe des elterlichen Hauses wurde
dem Käufer zur Auflage gemacht, daß die Trotte im Hause bleiben müsse als Altertum und
um uns auch fernerhin ihre Dienste zu leihen. Schon nach zwei Jahren aber verkaufte der
neue Hausbesitzer das altehrwürdige Inventarstück. Der Trottbaum soll zu Parkettbodenstücken
zersägt worden sein. Auch er könnte wie das große Faß darob klagen, daß er von
der stolzen Höhe über dem Trottbett, allwo er Rebenblut auspressen durfte, herniedersteigend
, sich zerstückeln lassen mußte, um von Menschenfüßen sich treten zu lassen und
Staub zu schlucken.

O quae mutatio rerum!
Welch ander Loos, o jerum!«

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