Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
6. Jahrgang.1986
Seite: 39
(PDF, 21 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1986-6/0041
Zu Besuch bei Anna Fleitz

Als »die Ölmüllerin« ist Anna Fleitz auch heute
noch in und um Kenzingen gut bekannt. Sie
war erst 9 Jahre alt, als ihre Mutter in den
Kriegsjahren von Mannheim - wo der Vater eine
Kaffeegroßrösterei betrieben hatte - in ihre
alte Heimat nach Kenzingen zurükkehrte.

»Der Vater war ja im Krieg, und wir wußten
keinen anderen Ausweg mehr, als wieder hierher
zurückzukommen«. Anna Fleitz erinnert
sich noch sehr gut an die damaligen Zustände,
die sie als Kind hautnah miterlebt hat.

»Zuerst suchten wir nach einer Mühle - aber
dann haben uns die Bauern so lange bedrängt,
doch eine Ölmühle in Kenzingen aufzumachen
, bis wir schließlich den Versuch gewagt
haben. Im Jahre 1919 baute dann mein Vater
Karl Bechtloff eine Ölmühle auf. 1940 übernahmen
mein Mann Karl Fleitz und ich die Ölmühle
. 1973 wurde diese Mühle zum letzten
Mal betrieben«.

»In der Ölmühle bin ich groß geworden«, sagt
sie heute. »Ich habe Schönes und Schlechtes
erlebt - aber missen hätte ich diese Zeit nie wollen
......«

Die ehemalige Ölmühle in der Johanniter -
straße 2, gegründet von Karl Bechtloff im
Jahre 1919, aufgegeben 1973. Im oberen
Stockwerk betrieb Karl Fleitz seit 1934 eine
Schreinerei.

Aquarell von Eduard Lienhart, 1977,
Reproduktion Foto-Kaiser

Anna Fleitz weiß noch gut, wie die Leute nach dem Krieg pfundweise Bucheckern zum
Ölen brachten, um wenigstens ein paar Tropfen Öl dafür zu bekommen. »Da war Öl noch
etwas Kostbares - etwas, was nicht jeder haben konnte«.

Die Bauern der Umgebung pflanzten damals auch noch viel Raps und Mohn und Dotter,
eine Ölfrucht, die es heute nicht mehr gibt. Am wertvollsten aber war das Nußöl. »Das haben
wir mit Johanniskraut angesetzt für kleine Kinder als Wundöl oder wenn sonst irgendetwas
zu heilen war«.

In der Kenzinger Ölmühle konnten die Mütter nach dem Krieg auch Getreide schroten, um
den Schoppen damit anzureichern - etwas, was für viele die letzte Rettung war. »Da war
sich keiner zu schade, auf den abgeernteten Feldern der Bauern noch die letzten Halme zusammenzulesen
- nur damit man wenigstens ein wenig Weizen davon hatte«!

Anna Fleitz erzählt, daß die Leute früher mit dem Wellholz die Körner aus den Ähren rieben
und wie sehr darauf geachtet wurde, daß nichts umkam in jener armseligen Zeit.

»Man hat ja auch von allem einen Teil abgeben müssen. Auch wir wurden vom Zollamt
kontrolliert«, weiß Anna Fleitz noch. Freudiger wird ihr Gesicht, als sie davon erzählt, wie
die Bauern vom Wald im Winter mit der Schese kamen und auf der Holzbank in der Ölmühle
ihr Vesper und ihren Schnaps einzunehmen pflegten. »Bei uns kehrten viele ein: es
war immer warm in der Ölmühle, und die Bauern fanden meistens jemand für ein Schwätz-

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