http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1986-6/0074
Die ostdeutsche Kulturförderung
Der Bundesgesetzgeber hat die Pflege, Erhaltung und Weitergabe des Kulturerbes der
deutschen Vertreibungsgebiete im § 96 des BVFG von 1953 zur gesamtstaatlichen Verpflichtung
gemacht. Diese gesetzlich fixierte Verpflichtung erwuchs aus der Erkenntnis,
daß das Kulturerbe der deutschen Vertreibungsgebiete als gemeinsamer Bestandteil der
deutschen Kultur und des deutschen Geisteslebens von allen Deutschen (und nicht nur von
den Vertriebenen) zu würdigen, zu erhalten und an die nächste Generation weiterzugeben
ist.
Die Vertriebenen in Kenzingen haben in diesem Sinne viel geleistet. Schon durch ihr Hiersein
weckten sie bei den Einheimischen Interesse für deutsche kulturelle Eigenarten, die ihnen
nun im eigenen Ort zum Teil vorgelebt wurde. Es geht um das Bewußtsein, um die Vergegenwärtigung
der ostdeutschen Kultur. Denn dieses Kulturerbe muß als untrennbarer
Teil der gesamtdeutschen Kultur verstanden werden. Die in mehreren Jahrhunderten gewachsene
deutsche Kulturlandschaften in Ostdeutschland, Böhmen, Ungarn, im Karpa-
tenbogen oder an der Wolga sind als Erbe in der Bewußtsein aller Deutschen einzubringen,
damit erkannt wird: Die ostdeutsche Kultur ist ebenso Teil der deutschen Kultur wie diejenige
im Mutterland.
Diese Aufgabe kann heute nicht mehr allein von den Vertriebeneneinrichtungen wahrgenommen
werden. Sie muß von allen gesellschaftlichen Kräften mitgetragen werden, von
den politischen Parteien in gleicher Weise wie von kirchlichen Bildungsstätten und auch
von kommunalen Volksbildungswerken. Initiative erwartet man vielleicht in erster Reihe
doch von den Heimatvertriebenen, bei denen noch zum Teil das Wissen um diese Kultur
und hie und da auch noch Zeugnisse ihrer geistigen und künstlerischen Lebensäußerungen
vorhanden sind.
Auf dem Burgbrunnen Foto: Friedemann Reiner
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