Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
6. Jahrgang.1986
Seite: 85
(PDF, 21 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1986-6/0087
auf: Was bedeutet uns dieser Künstler heute? Wir denken dabei weniger an Stil und Form,
als an die geistige Aussage seiner Hervorbringungen, an die sinnfälligen Ausdruckszeichen
für seine erlebte Transzendenz. Oesterles Kunst ist eine existenzielle. Sie ist eine Antwort
auf die Herausforderung der Sorgen und Nöte ihrer Zeit. Eine harte Kindheit und frühes
Leid prägten nachhaltig die Persönlichkeit des Künstlers. Kriegs- und Nachkriegsjahre bewirkten
das Ihrige. Als es 1924 im Deutschen Reich um die Erhaltung des Acht-Stundentages
für die Arbeiterschaft geht, wendet sich die Künstlerhilfe Berlin in einer Solidaritätserklärung
an die Öffentlichkeit. Zu den Akteuren gehört auch Oesterle. Mit viel Elan setzt er
sich in den Bildungsverbänden der freien Gewerkschaften für die kulturellen und materiellen
Ansprüche des Arbeiters ein. Mit den Mitteln der Kunst wollte er auf die Gesellschaft
einwirken. Die Druckgraphik, mit der Möglichkeit zur Vervielfältigung, bietet ihm ein primär
demokratisches Wirkungsfeld. Heute, ein halbes Jahrhundert später, wissen wir, daß
Walter Benjamins Erwartungen sich leider nicht erfüllten: Die unbeschränkte Quantifizier-
barkeit von Kunst erreichte keine neue Qualität, sondern droht zunehmend in der Flut der
technischen Reproduktion sich zu verlieren.

Schon während des 1. Weltkrieges arbeitet Oesterle für die Künstlerflugblätter KRIEGSZEIT
. Sein Denken und Gestalten kreist immerfort um die zentralen Menschheitsthemen:
Liebe-Tod-Flucht-Trauer-Klage. Immer wieder hat er diese gezeichnet, in Holz geschnitten
, radiert und gemalt. Diese Realität wird im Bild gerafft, verdichtet, mit Emotionen
aufgeladen. Dahinter steht die uralte Frage nach dem Sinn des Leidens. Leben wir doch in
einem Zeitalter der Angst, sozialer und ethnischer Konflikte, des Terrors und der Kriege.
Überhaupt, gab es je eine Epoche ohne Flüchtlinge? In unserm Jahrhundert sollen es
schon über 200 Millionen sein.

Bild 2: Wilhelm Oesterle: Abendlandschaft bei Picheiswerder, Radierung, 1920

85


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1986-6/0087