Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
7. und 8. Jahrgang.1987/1988
Seite: 92
(PDF, 52 MB)
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Aeschers sei hier noch die Kriegslist angeführt, die er zum Rückzug nach Breisach anwandte
: Als Endingen nach heftiger Beschießung des von der Hochburg herabgeführten Geschützes
schon an zwei Stellen brannte, legte er nach Einbruch der Nacht auf den Mauern
und Türmen Zündschnüre zu den Geschützen, verließ in aller Stille die Stadt und gelangte,
begleitet vom größten Teil der Einwohner, nach Breisach. Denn die Rheingräflichen, durch
die immer noch aus der Stadt kommenden Schüsse getäuscht, bemerkten erst am Morgen,
daß die Stadt verlassen war - dann aber plünderten sie alles, was noch vorhanden war.

Otto Ludwig, den man als Bauernschlächter auf Seiten der Schweden bezeichnen könnte,
eroberte am 1. Januar 1634 die Lichteneck zurück. Dieser Mann hatte bereits 1632 bei
Dammerkirch-Elsaß 1.600 Bauern, die gegen die Schweden revoltierten, auf dem Kirchhof
abschlachten lassen - ein seltsames Phänomen sind übrigens diese Bauernaufstände des 17.
Jahrhunderts, und bisher noch kaum in der Forschung untersucht. Mit dem Namen des
Rheingrafen Otto Ludwig verbindet sich darüber hinaus das Massaker von Kirchhofen am
3. Juni 1633. Dort ließ der Rheingraf vertragsbrüchig die mit Friedensversprechen abziehenden
über 300 Bauern niedermetzeln und die Leichen einen Monat unbegraben. Er begründete
dies mit den Worten, sie seien des Erdbodens nicht wert, um darin zu verfaulen.

Entsprechend ließ der Rheingraf 1634 auch alle Bauern auf Lichteneck erschlagen. Noch
Merian berichtet von diesem Ereignis wie auch von Kirchhofen 1663 in seiner Beschreibung
des Elsasses (in der Originalausgabe Seite 31). Gleichsam als ausgleichende Gerechtigkeit
erscheint es, wenn wir hören, daß trotzdem alle Ambitionen des Rheingrafen auf
das Elsaß mitsamt den schwedischen Versprechungen in nichts zerrannen und der
französisch- schwedischen Bündnispolitik zum Opfer fielen. Der Rheingraf hatte sich u.a.
wesentliche Teile des nördlichen Elsasses als Herrschaftsgebiet von den Franzosen erbeten,
aber nichts hat er bekommen. Am 16. Oktober 1635 starb er plötzlich zu Worms so erbärmlich
, wie er gelebt hatte. Die Burg Lichteneck war mittlerweile wieder kaiserlich geworden
, und erst von 1638 bis 1644, mit dem Auftreten Bernhard von Weimars im Breisgau
, erhielt sie eine weimarisch-französisch-schwedische Besatzung.

Im folgenden soll nun anhand bedeutender literarischer Quellen, vor allem dem Raisbüch-
lin des Zisterzienserpaters und Beichtvaters von Kloster Wonnental, Conrad Burger, gezeigt
werden, welche Funktion die Burg im ausgehenden Krieg hatte und wie es um sie herum
zuging. Wie keine andere Burg im Breisgau hat ja die Burg Lichteneck sozusagen auch
Literaturgeschichte gemacht, denn sie spielt eine literarische Rolle nicht nur im Simplizissi-
mus von Grimmelshausen, dem bedeutendsten deutschen Romanwerk des 17. Jahrhunderts
, das unser kulturgeschichtlich bedeutendstes Werk für dieses Jahrhundert ist, sondern
sie taucht eben auch in Conrad Burgers Lebenserinnerungen auf. Diese literarische
Verarbeitung räumt unserer Burg Lichteneck eine Sonderstellung unter allen Burgen des
Breisgaus ein.

Conrad Burgers Raisbüchlin ist leider kaum bekannt, obwohl es nicht nur eine faszinierende
Quelle für die Geschichte des Breisgaues und des Zisterzienserordens ist, sondern den
Leser auch mit einem faszinierenden Menschen bekanntmacht, der den 30jährigen Krieg
wie die ersten Kriege Ludwigs XIV. am Oberrhein miterlebt hat. Literarisch dürfte man
das Werk stellenweise durchaus an die Seite des «Simplizissimus« rücken, der ja zur Weltliteratur
gehört.

Solange die Burg noch relativ unversehrt war, erfüllte sie auch im 30jährigen Krieg die
üblichen Aufgaben: sie war Schutzburg für das (eroberte) Land, Einzugsstelle für Abgaben
, Verwaltungssitz von Amtspersonen. So erfahren wir z.B., daß dem Matthäus Pauli,
Amtmann auf Lichteneck, 1641 ein Sohn Jakob-Philipp Pauli auf der Burg geboren wurde.
Amtmann Matthäus selbst starb dort sehr jung 1642 (wie wir der Lahrer Zeitung vom 27.
April 1963 entnahmen). Militärische Aufgabe war u.a. die Weiterleitung von Nachrichten
an die schwedisch-französische Truppenführung, von der Burg gingen Streifunternehmen
aus und das beherrschte Territorium wurde auf Späher des Gegners kontrolliert.

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