Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
7. und 8. Jahrgang.1987/1988
Seite: 206
(PDF, 52 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1988-7-8/0208
Das Medium Fotografie war zwar in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts längst den Kinderschuhen
entwachsen (Louis-Jaques Mande Daguerre hatte 1837 das fotografische Verfahren
erfunden) und jedermann hatte schon auf irgendeine Art und Weise Bekanntschaft
mit der Fotografie gemacht. Aber daß in einem kleinen Dorf selbst jemand einen Fotoapparat
besaß und die Ereignisse im Leben des Dorfes festhielt, war durchaus noch ungewöhnlich
. Und daß es in Hecklingen eine Frau war, die das Medium Fotografie sozusagen
populär machte, als doch die Fotografie noch weitgehend, auch in der Stadt, eine Domäne
der Männer war und in vielen anderen Dörfern auch von Männern (Lehrern, Pfarrern,
jungen Handwerksburschen) zuerst gepflegt wurde - das erscheint geradezu revolutionär.
Es ist aber sicherlich auch ein Zeichen dafür, daß sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts einschneidende
Veränderungen im Rollenbild und Selbstverständnis der Frau abzuzeichnen
begannen, daß sich Frauen zu emanzipieren begannen.

Dieser kleine Aufsatz soll deshalb nicht nur den Blick schärfen für die Bedeutung und Erkenntnismöglichkeiten
, die in überlieferten Fotografien stecken, er ist auch als Hommage
für Frau Kreutz gedacht, die heute 96jährig bei ihrer Tochter Gretchen Kreutz in Freiburg
lebt. Mit ihnen zusammen unternahm der Autor faszinierende Spaziergänge durch die Bilderwelt
der Frau Kreutz, die tiefe Einblicke in das Leben des Dorfes Hecklingen in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vermittelt haben.

Geboren wurde Frau Kreutz am 2. Juni 1891 in London, als erstes Kind der Familie
Schwär. Ihr Vater, aus St. Peter im Schwarzwald stammend, war nach England ausgewandert
und hatte in London ein Uhrengeschäft eröffnet, welches ihm im Laufe der Zeit
zu ansehnlichem Wohlstand verhalf. Dieser erlaubte es ihm schließlich, seiner Sehnsucht
nach dem heimatlichen Schwarzwald nachzugeben, und so zog er mit seiner Familie zurück
nach St. Peter, wo sie sich ein stattliches Haus erbaute. Maria war mit ihren hervorragenden
Englischkenntnissen gefragte Lehrer- und Erzieherin in Grafen- und Bürgerhäusern
Frankreichs und der Schweiz. Vermutlich in solchen Häusern der gehobenen Gesellschaft
kam Maria schon in Kontakt mit dem neuen Medium, wo die Fotografie schon
damals sehr beliebt und verbreitet war und man sich diese Ambitionen leisten konnte. Bei
der Geburt des 14. Kindes starb im heimatlichen St. Peter die Mutter und so kehrte Maria
zurück, um an Mutters statt für die Familie zu sorgen. Hier in St. Peter läßt sich ein weiterer
Impuls für ihre spätere leidenschaftliche Beschäftigung mit der Fotografie finden.
Ein Nachbar der Familie Schwär besaß zur damaligen Zeit (1913 und später) schon einen
solchen »Wunderapparat« und Maria bat ihn oft darum, zu besonderen Anlässen ihre
vielköpfige, malerische Familie abzulichten, wie ein Blick in Fotoalbum Kreutz bestätigt.
Diese Erfahrung mit der Fotografie und die von ihr ausgehende Faszination müssen in
Maria den Wunsch geweckt haben, später selbst hinter solch einem Holzkasten zu stehen
und unter dem schwarzen Tuch zu verschwinden.

Während dieser Jahre war an der Hecklinger Volksschule seit 1908 der junge Lehrer Stefan
Kreutz tätig. Im Jahre 1920 starb seine Frau an Lungentuberkulose, und Stefan
Kreutz stand allein mit seinen vier Töchtern da. Der Leser merkt, wie das Schicksal hier
wohl weiterspielen wird. Denn auch Stefan Kreutz stammte aus St. Peter und natürlich
kannten sich die Familien Schwär und Kreutz in solch einem kleinen Ort. Und so kam es,
daß 1922 Stefan und Maria heirateten und Maria als »Frau Kreutz« nach Hecklingen zog,
das sie wohl zuvor nie gesehen hatte und das für die nächsten 30 Jahre ihre Heimat werden
sollte. Man sollte sich nun nicht vorstellen, daß Frau Kreutz mit dem Fotoapparat unter
dem Arm in Hecklingen Einzug gehalten hätte, vielmehr dauerte es noch einige Jahre, bis
sie zu fotografieren begann. Zuvor schenkte sie noch den beiden Töchtern Gretchen und
Ehrentrud das Leben.

Im Jahre 1927 begann dann ihre Fotografenzeit in Hecklingen. Sie sollte gut 30 Jahre bis
ins Jahr 1957 dauern, als Frau Kreutz Hecklingen verließ und mit ihrer Tochter Gretchen
nach Freiburg zog, bei der sie noch heute 96jährig in beneidenswerter geistiger und körperlicher
Frische lebt. Ihr Mann Stefan Kreutz war im Frühjahr des Jahres 1945 63jährig
in Hecklingen verstorben.

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