Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
7. und 8. Jahrgang.1987/1988
Seite: 219
(PDF, 52 MB)
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schleppt und dort, die Hände auf den Rücken gebunden, die Füße mit dem Kopf wie ein
Rad verknüpft und den Mund mit einem Holzpflock auseinandergespreizt, von der Prager
Brücke hinabgestürzt und ertränkt« (zitiert nach: Die großen Heiligen, München 1978, S.
296). Die Legende erzählt weiter, daß der Leichnam des Heiligen nachts auf der Oberfläche
der Moldau schwamm und zwar von helleuchtenden Sternen umgeben (die Statuen zeigen
oft die Sterne in einem Kranz am Birett): In feierlicher Prozession wird der Leichnam in
den St. Veits-Dom bestattet. Als man seinen Sarg 1719 öffnete, fand man seine Zunge un-
verwest. Johannes Nepomuk ist einer der beliebtesten und am meisten verehrten Heiligen
der Kirche geworden. Er gilt als Patron der Flößer, Müller, Schiffer und Brücken, der
Beichtväter und Priester. Sein Fest wird am 16. Mai gefeiert.

An einem Wintertag komme ich wieder in die Stille bei der Elz. Es zieht mich wieder zu
diesem stillen Heiligen. Erst jetzt fällt mir auf, wie hoch der Sockel ist, auf dem er steht.
Ein wenig Schnee ist gefallen und dies macht alles noch stiller, dämpft jeden Schritt. Das
Zwiegespräch ist noch leichter als beim ersten Besuch:

»Du hast über mich gelesen. Nun kennst du ein wenig meine Geschichte. Verstehst du nun
das Kreuz in meinen Händen? Das Kreuz, alles ertragen und tragen zu können, was in meinem
Leben auf mich zukam. Das Kreuz, nicht im Strom des Ansehens bei den Mächtigen
zu schwimmen, sondern an der Seite der Armen und Unterdrückten zu stehen und zu helfen
. Das Kreuz, die Folter durchzustehen und zu schweigen. Im Kreuz ist Heil, im Kreuz
ist Kraft...«, so habe ich oft den Menschen gepredigt.

An den Brücken stellen die Menschen oft meine Statue auf in der Erinnerung, daß ich von
einer Brücke den Tod oder besser das ewige Leben gefunden habe. Sieh, die Elz, wie ruhig
sie fließt! Und doch welche Urgewalt steckt im Wasser, wenn es überfließt, alles mit sich
reißt und überflutet. Das Wasser ist doch seit alters nicht nur das Zeichen des Lebens, sondern
auch der bösen Macht und Gewalt und des Trennenden. »Das Wasser steht mir bis
zum Halse«, sagen die Menschen, wenn sie in Not sind. Die Brücke übergeht diese gewaltige
Macht, verbindet das Getrennte. Früher stand dieses mein Standbild, zusammen mit der
Statue der Mutter Gottes mitten auf einer großen Brücke über die Elz. Im Krieg, der ja
die schlimmste Trennung der Menschen darstellt, wurde die Brücke gesprengt. Mein Bildnis
fand hier nun einen guten Platz. Heute, da nicht mehr viele Menschen und Wagen hier
vorbeikommen, möchte ich den Menschen sagen: Die drohenden Wasser sind nicht verschwunden
, momentan vielleicht gebändigt, eine kleine Brücke führt hinüber. Geht hinüber
zu den anderen Menschen jenseits des Flusses, geht zu den anderen Völkern, reißt die
Brücken nicht nieder. Und vor allem, bevor ihr geht, kommt in die Stille, lernt das Schweigen
; schweigt lange, bevor ihr redet. Kommt aus dem Lärm dieser Zeit, wo alles redet,
tratscht mit Lautsprechern und Megaphonen, in Buch und Bild, in die Stille. Nur die Stille
wird euch zu euch selbst kommen lassen und zum anderen und mehr noch, zu Gott. War
nicht die Stille, das Schweigen, meine Brücke zu Gott?

Peter Kuner

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