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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1989-9/0011
setze ich hinzu »zwischen Freiburg und Offenburg«. Das war nun eigentlich eine kleine
Beleidigung. Der Großherzog lachte aber ganz heiter und meinte: »Ich werde wohl mein
Kenzingen nicht kennen!«

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunders vollzog sich ein Stilwandel. Die Architektur
wandte sich vom Historismus ab und suchte neue Ausdrucksformen, die letztlich zur 1'
Art nouveaux - zum Jugendstil - führten. Die schönen Künste nahmen parallel dazu Aufschwung
, und aus ihrem Einfluß auf das Handwerk entwickelten sich ein eigenständiges
Kunstgewerbe und eine kunstgewerbliche Industrie, die Fachschulen und Ausbildungsstätten
brauchten. Die Erfinder der Jugendstils waren fast alle Maler; sie wandten sich über
das Kunstgewerbe der Architektur zu. Die Jugendzeit von EFES stand noch unter den Eindrücken
der kleinbürgerlichen Lebenseinstellung des ausklingenden »Biedermeier«, geriet
jedoch schon bei Beginn seiner Studienzeit unter den Einfluß der Bewegung, die Neues
wollte und nach anderen Ausdrucksformen für Gestaltung, Formgebung und Harmonie
sowohl in der Innenarchitektur als auch für Hausrat, Gebrauchsgegenstände und für das
Schmuckbedürfnis suchte. EFES schrieb darüber in dem erwähnten Aufsatz »Ein Rückblick
:

»Das deutsche Kunstgewerbe hat sich in 55 Jahren wesentlich gewandelt, äußerlich und innerlich
. In der ersten Zeit nahm man die schmückende Form als Hauptsache, kopierte mit
mehr oder weniger Geschick und Glück die Werke unserer Väter, gelangte dabei von Renaissance
- bis zum Biedermeierstil und brachte schließlich aus eigener Kraft den sogenannten
Jugendstil fertig. Heute legt man den Hauptwert auf eine zweckentsprechende
Gestaltung und Konstruktion sowie auf ein echtes und schönes Material, die wichtiger sind
als der Zierart«.

Diese Aussage läßt erkennen, daß EFES zwar nicht »vom Saulus zum Paulus wurde«, daß
er jedoch mit der Entwicklung Schritt gehalten hat, die vom Jugendstil zur »Neuen Sachlichkeit
« führte. Er befaßte sich schon in seinen ersten Berufsjahren bei der Landesgewerbehalle
Karlsruhe mit Handwerk und Gewerbe, und er hat deren Entwicklung mit seiner
zeichnerischen Begabung, seinem Empfinden für das Formale und seiner ornamentalen
Ausdruckskraft am Beginn des Industriezeitalters wesentlich beeinflußt.
Das Hauptunterrichtsfach für EFES bei seiner Berufung an die neu eingerichtete Großherzogliche
Kunstgewerbeschule wurde die »Ornamentale Formenlehre«, die er zu einem umfassenden
Vorlagenwerk entwickelt hat, das darüber hinaus kunstwissenschaftlichen Studienwert
hat und »für die allgemeine Bildung ein lehrreicher und kunstgeschichtlicher interessanter
Faktor ist« (EFES im Vorwort zu seinem Handbuch der Ornamentik«). »Da
man die Eigentümlichkeiten, welche sich aus der Wechselbeziehung von Material, Zweck
und Form, mehr oder weniger verändert durch Zeitauffassung und Völkeranlage, als Stil
bezeichnet, so ergibt sich der Zusammenhang, in welchem Ornamentik und Stillehre stehen
, von selbst.« (In der Einleitung zum »Handbuch der Ornamentik«).

Das »Handbuch der Ornamentik« ist eine Zusammenfassung der als Vorlageblätter für
Unterrichtszwecke entwickelten ornamentalen Formenlehre. Die 1. Auflage des Buches erschien
1888, die 12. Auflage 1927 kurz vor dem Tod von EFES. Das Buch ist in mehrere
Fremdsprachen übersetzt worden und ist bis heute im In- und Ausland weit verbreitet. Es
ist vom Seemann Verlag, Leipzig 1983 wieder aufgelegt worden. Die ornamentale Formenlehre
wurde 1883 durch ministeriellen Erlaß als Grundlage für den Zeichenunterricht in
den Badischen Gewerbeschulen obligatorisch eingeführt. Das unterstreicht die Bedeutung,
die dem Ornament zur Zeit des Übergangs vom 19. in das 20. Jahrhundert in allen Bereichen
der Gestaltung eingeräumt wurde. Wir finden ornamentale lineare und rankenförmi-
ge Verzierungen sowie unkonstruktive Ausschmückungen nicht nur an Bauten sondern
auch an Maschinen und bei Stahlkonstruktionen der Anfänge des Industriezeitalters.
Schmuck, Verzierungen und Dekoration waren und sind bis heute in sich wandelnder Form
Elemente aller Kulturen gewesen und geblieben. Das Ornament als solches hat keine selb-

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