http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1991-10-11/0095
Karlsruhe«: Untergestell schwarz, Aufbauten dunkelgrün, Messingbänder um Dampfdom
und Regulatoraufsatz.
Im Verkehrsmuseum Nürnberg steht die im Original erhaltene Lokomotive »Phoenix« der
früheren Badischen Staatsbahn. Es handelt sich dabei um eine Maschine, die im gleichen
Jahr wie die Lok »Kenzingen« von der gleichen Firma erbaut und an die gleiche Bahnverwaltung
abgeliefert wurde. Die »Phoenix« ist eine reine Schnellzuglokomotive der Bauart
»Crampten«, d.h. sie hat nur eine Treibachse mit noch größeren Treibrädern und sie ist
dadurch auch kürzer. Ansonsten ergibt sich jedoch aus einem Vergleich des alten Photos
mit der »Phoenix«, daß zahlreiche Bauteile mit denen der einstigen »Kenzingen« übereinstimmen
.
Die Technik dieser alten Maschinen besticht durch ihre geniale Einfachheit. Die Schlichtheit
strahlt zugleich eine unheimliche Eleganz aus.
Was über die Ästhetik des ersten Kenzinger Stationsgebäudes gesagt wurde gilt hier ebenso
und spätestens jetzt werden wir uns klar darüber, daß das Flair der frühen Bahnstationen
sowie des Reisens auf den frühen Eisenbahnen ein ganz, ganz anderes gewesen sein
muß als das, welches wir heute wahrnehmen.
Diese Gesamtheit aus Architektur, Maschinenästhetik, Verhaltensmaßregeln für die Reisenden
, die straffen hierarchischen Dienstvorschriften der Bahnangestellten und dementsprechend
ihr steifes, wohl auch arrogantes Auftreten den einfachen Reisenden gegenüber,
anderes dazu wie z.B. die zivile Ordnung der standesgemäßen Bekleidung, der allgemeine
Codex des Verhaltens in der Öffentlichkeit, der große Respekt vor der Uniform: all das
erzeugte an den Stationen und in den Zügen eine Atmosphäre, wie man sie heute wohl
nicht mehr erahnen kann, wie sie für uns heute kaum vorstellbar ist.
Der neue Bahntelegraph und die Uhr
Man gewöhnt sich in jenen Jahren an die Eisenbahn. Sie wird nicht nur Bestandteil von
Staat und Wirtschaft, sondern auch des alltäglichen Lebens. Immer wieder gibt es neue
technische Verbesserungen, deren Bedeutung weit über den Bereich des Bahnbetriebes hinausgeht
. Eine von vielen ist hierbei der elektrische Telegraph.
Bereits im Jahr 1851 war der elektromagnetische Bahntelegraph an der Hauptbahn installiert
und wurde auch in diesem Jahr zur öffentlichen Benutzung freigegeben. Dieses Telegraphensystem
wurde energisch ausgebaut und erst im Jahr 1872 wurde die Bahn- vom
allgemeinen Telegraphen getrennt. Durch diesen Telegraphen konnte man nicht nur Nachrichten
unvorstellbar schnell übermitteln, man konnte damit auch erstmals die Uhrzeit ganz
exakt weitergeben, was zuvor immer ein großes Problem war.
In der Zeit der Postkutsche wurde die Abfahrtszeit der Kutsche nach dem Schlag der Kirchturmuhr
festgesetzt. Der Kirchturm hatte das Zeitmonopol in der jeweiligen Stadt oder
dem jeweiligen Dorf. Zeitdifferenzen zwischen den jeweiligen Kirchturmuhren und somit
Orten spielten keine Rolle. Mit der Inbetriebnahme der Eisenbahn mit ihren präzise ausgearbeiteten
Fahrplänen, deren Einhaltung streng überwacht wurde, waren diese Zeitdifferenzen
jedoch nicht mehr zu tolerieren. Jeder Bahnhof hatte seine Hauptuhr, nach der
alle anderen Uhren, falls vorhanden, gerichtet wurden. Diese Hauptuhren wurden wiederum
gerichtet nach präzise gehenden Taschenuhren aus Schwarzwälder Produktion, die den
fahrenden Personalen täglich von der Direktion in Karlsruhe gerichtet mitgegeben wurden.
Zuvor gab es alleine in Deutschland die unterschiedlichsten Zeiten. Wer z. B. mit dem
Schnellzug von Berlin nach Stuttgart über Würzburg fuhr, hatte es in dieser Hinsicht sehr
schwer. Bei der Abfahrt mußte er sich nach Berliner Zeit (Preußen) richten. Dies so lange,
bis er in den Bereich Bayerns kam, wo nun Münchener Zeit amtlich galt. Da die Strecke
nach Stuttgart auf ihrem ersten Abschnitt jedoch badisch war (badische Odenwaldbahn
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