Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
10. und 11. Jahrgang.1990/1991
Seite: 101
(PDF, 67 MB)
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einer Lücke der »Üsenberger Hof«, erst dann fängt die eigentliche Stadt an. Die Eisenbahnstraße
und der Bahnhofvorplatz sind noch lange nicht asphaltiert. Im Bereich des
Bahnhofs ist die Straße noch mit Kastanienbäumen bepflanzt.

Am Bahnhof ist viel Leben und Treiben. Schon früh morgens geht es los und dauert bis
in den Abend, oft bis in die Nacht. Da rumpeln schon früh die Fuhrwerke durch die Eisenbahnstraße
. Sie bringen oder holen Holz jeder Art, Kohle, Baumaterial. Alles kommt
mit der Bahn, alles wird von Hand ausgeladen, Schaufel für Schaufel, Kiste für Kiste,
Faß für Faß. Es sind viele, die da beschäftigt sind an den Gütergleisen. Noch wird jeden
Tag 10 und 12 Stunden gearbeitet, noch ist schwere körperliche Arbeit das Normale, da
wird z.B. kein Baumstamm mit einem Kran verladen, sondern von 2 Arbeitern über eine
Rampe gehebelt. Die feineren Waren werden in der Güterhalle als Stückgut abgeholt oder
werden als Expressgut verschickt. Bier, Milch, Fleisch und Fisch wird in Spezialwagen in
Personenzügen mitgeführt.

Die Bahn ist Mädchen für alles. Vielleicht: Arzneimittel für die Apotheke. Verlegung von
Strafgefangenen aus dem Kenzinger Gefängnis nach Freiburg. Transport von Schwerkranken
. Überführung von Leichen. Versendung einer großen, wertvollen Standuhr zu Verwandten
nach Schopfheim. Mutter's Verpflegungspaket für den Sohn in die Garnison Rastatt.
Versand der Produkte der Zigarrenindustrie. Versand eines Deckhengstes aus dem städtischen
Stall ins Gestüt nach Marbach. Wohnungsumzug. Obst- und Gemüseversand. Abfahrt
der Reservisten zum Kaisermanöver. - Zu diesem Zeitpunkt gab es wirklich nur eine
einzige Antwort auf alle Transportfragen, die über das nächste Dorf hinausgingen - das
war die Bahn.

Da der Güterverkehr seit den Anfängen stetig an Umfang zunahm und die Anlagen auch
in hohem Maße ausgelastet werden konnten, gelang es den Bahnen im Zeitraum von 1850
bis 1914, die Tarife real fortlaufend zu senken und die Transportpreise von 1914 lagen sogar
unter denen von 1850! Dies wurde erst anders, als die Lastwagenkonkurrenz nach 1920
anfing sich einzelne Rosinen aus dem Verkehrsmarkt herauszupicken.

Die Bahnstationen waren Haupteingangstor zur Stadt, der Bahnhof war mit seinem Vorplatz
die Visitenkarte des Ortes. Die einzige öffentliche Grünanlage war in Kenzingen die
»Bahnhofsanlage«; auch der Standort von Postamt und Amtsgericht sind nicht zufällig.
Bezeichnend auch die Aufmachung der Reiseführer jener Jahre, wo die Orte stets im Blickwinkel
der Bahnstation beschrieben werden.

Wie damals allgemein üblich, so sind auch in RICHTER'S REISEFÜHRER »Schwarzwald
« von 1913, die Orte nicht nach ihrer touristischen Bedeutung, sondern nach der Lage
an den Bahnlinien aufgeführt. Es erscheinen zunächst die Orte an der Hauptbahn, dann
an den Neben fernstrecken, schließlich die Orte an den Zweigbahnen. Da die großen Schwarzwaldwanderwege
nicht von Bahnstationen berührt werden, werden sie erst zum Schluß behandelt
, mitsamt den höchsten Erhebungen wie Feldberg oder Belchen! Der Hünersedel
z. B. wird unter Lahr beschrieben, da er von dort über die Kleinbahn bis Seelbach ab Endstation
in 4 Stunden erwandert werden kann, weiterer Wanderweg in 3 1/2 Stunden zur
Bahnstation Waldkirch. Für Kenzingen finden wir in diesem Reiseführer als Ausflug beschrieben
:

»... Nach Kirnhalden, Kurhaus und Bad (gelobt), idyllisch im Talgrund gelegen, in tiefster Waldeinsamkeit
. Neben Badegästen von Ruhe- und Erholungssuchenden gern aufgesucht... Das Bad besitzt
eine hübsche, ausflugreiche Umgebung. Im Sommer täglich Postwagenverbindung mit Station Kenzingen
.« (Q24)

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