Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
10. und 11. Jahrgang.1990/1991
Seite: 106
(PDF, 67 MB)
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Die Bahn ist darauf vorbereitet, große Menschenmengen zu befördern. Das wurde, besonders
in den 30er Jahren, immer wieder geübt. Da waren die großen Parteitage in Nürnberg
, 1936 die Olympiade in Berlin usw. Doch was nun an Transportleistungen erbracht
wurde, übersteigt jede Phantasie. Wohin die Züge fahren ebenso. Wie viele erreichen ihr
Ziel überhaupt nicht? — Partisanen und Sabotage, Luftangriffe und Endlösung, was können
wir heute noch mit diesen Worten anfangen?

Das »Altreich« erlebt den Terror des Luftkrieges etwa ab 1943. Bevorzugtes strategisches
Ziel sind zunächst bestimmte Industriebetriebe und Eisenbahnen. Ganz schlimm wurde
es für die Zivilbevölkerung als die deutsche Luftabwehr ausgeschaltet war. Schon längst
wurden nicht nur strategisch wichtige Punkte dem Erdboden gleichgemacht. Nicht nur
Züge, auch Menschen konnten sich bei Tage nicht mehr im Freien bewegen, da die alliierten
Jagdbomber auf alles gnadenlos Jagd machten was sich am Boden bewegte.

Am Ende des Krieges liegt das Land in Trümmern. Der Betriebsapparat der Bahn ist in
wesentlichen Teilen zerstört. So ist z. B. der Bahnhof Offenburg mit seinen damals ausgedehnten
Gleisanlagen nach mehreren Angriffen zu 90 °7o zerstört. Der Bahnhof Freiburg
zu 50 °7o. Wieder ist zahlloses Eisenbahnmaterial in die besetzten Gebiete verschleppt worden
, ist dort geblieben ebenso wie viele Söhne unserer Stadt und unseres Landes. Der Bahnhof
in Kenzingen war von Luftminen verschont geblieben. Das Kenzinger Krankenhaus,
mit seinem großen auf das Dach gemalten roten Kreuz auf weißem Grund, war für einen
alliierten Fliegeroffizier wohl ein lohnendes Ziel. Die Brücke über die Elz war gemäß des
»Nero-Befehls« der »verbrannten Erde« wenige Tage vor der französischen Besetzung Ken-
zingens noch gesprengt worden.

Mit oder ohne diese eine Elzbrücke — die Bahn war nicht mehr im Besitz eines funktionsfähigen
Betriebsapparates.

Nach der Kapitulation ruhte zunächst jeder geordnete Restverkehr auf den verbleibenden
Gleisen. Ab August 1945 wurde zwischen Mannheim und Offenburg ein dürftiger Zugverkehr
eingerichtet. Dabei ist zu bedenken, daß die Kapitulation für Baden die Teilung in
eine französische und eine amerikanische Besatzungszone brachte. Wer also von Karlsruhe
nach Offenburg reisen wollte brauchte dazu ein Visum der Besatzungsbehörden. Da
Frankreich seine Besatzungszone anfangs stark gegen die anderen Zonen abgrenzte, war
dies das vorläufige Ende eines durchgehenden Nord-Süd-Verkehrs.

Am 7. September 1945 wurde der Zugverkehr von Offenburg nach Freiburg wieder aufgenommen
und am 5. November schließlich bis zur schweizer Grenze ausgeweitet. Auf vielen
Zweigstrecken ruhte dagegen noch länger jeder Zugverkehr, denn nicht nur Lebensmittel,
auch Kohlen waren knapp und deshalb rationiert.

Es sollten noch Jahre vergehen, ehe sich die französische Besatzungsbehörde über die weitere
Ausgestaltung der Eisenbahnen in ihrer Zone im klaren war. Erst 1949 wurden die
»Richtlinien für den Wiederaufbau des Eisenbahnnetzes der französisch besetzten Zone«
herausgegeben. Darin kamen primär die französischen Interessen zum Ausdruck; denn:
Frankreich hatte auch in Österreich noch Besatzungsgebiete in Vorarlberg und in Tirol.
Selbstverständlich war Frankreich vorrangig daran interessiert, dorthin eine gute Eisenbahnverbindung
zu haben (Schwarzwaldbahn). Alle anderen Strecken jedoch sollten auf
Minimalbetrieb umgestellt werden.

So mußte auf Befehl unserer französischen Freunde das östliche Streckengleis ausgebaut
werden. Kenzingen lag nun de facto an einer eingleisigen Nebenbahn. Der Ausbau war
fortgeschritten von Offenburg bis Denzlingen, also auf einer Länge von 54 km. Auf deutsche
Vorstellung hin gelang es jedoch, Frankreich zum Stop des Gleisausbaues zu bewegen
, nicht jedoch zum Wiedereinbau. Dies machte weitere Verhandlungen nötig bis dann,
teilweise, das zweite Gleis doch wieder eingebaut wurde, was jedoch nur schleppend voran
kam. Letzter Einbauabschnitt war Orschweier-Herbolzheim und am 4. Oktober 1950 konnte
dann wieder durchgehend zweigleisig gefahren werden.

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