http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1991-10-11/0111
Der neue Konkurrent = das Auto
Da kommen die ersten Einbrüche, z. B. im Ausflugsverkehr. Anfang der 60er Jahre kommt
der Autobahnbau. Die B 3 wird großzügig ausgebaut. Die Politik setzt entschieden auf
das Auto und den Lastwagen, setzt damit entschieden die Verkehrspolitik der Vorkriegsjahre
fort. Was die vorläufig sichtbaren Folgen davon sind, kann uns z. B. bewußt werden
, wenn wir an einem ganz normalen Tag nur einmal die Hauptstaße unserer Heimatstadt
überqueren wollen. Wir sehen es aber auch an Orten, die einmal richtige Bahnhöfe hatten,
eben auch am Bahnhof Kenzingen.
Heute ist die Güterhalle in einem Zustand, daß man dort sehr gut eine dunkle Krimi-Szene
drehen könnte. Geladen wird dort bereits seit etwa 20 Jahren nicht mehr. Die Flächen an
den Ladegleisen sind zu Absteilflächen für Autos verkommen. Wenn die Berufspendler
morgens und abends oft hektisch und mit überhöhtem oder nicht angepaßtem Tempo die
Zufahrtsstraßen belasten müssen die Fußgänger oft schauen, daß sie sich rechtzeitig in
Sicherheit bringen.
Noch ist Wagenladungsverkehr möglich - aber wer hat Interesse daran? Selten nur kann
man dort das Entladen eines Güterwagens, z. B. mit einem Feuerwehrauto, beobachten.
Aufgeladen wird hier praktisch nichts mehr. Die größte Verladeaktion der letzten Jahre
war wohl die Verladung von Munition aus dem französischen Munitionsdepot im Forch-
heimer Wald während des Golfkrieges; ein würdiger Abschluß?
Abb. 16: Das letzte alte Kenzinger Schrankenwärterhäuschen
wenige Tage vor dem Abriß, Aufnahme
von der Bahnseite, Dezember 1985.
Q: M. Freier.
Abb. 17: Das gleiche Häuschen,
Ansicht von der Wiesenseite.
Q: M. Freier.
Der Lokomotivschuppen mit seinen wunderschönen Sandsteingewändern wurde im Dezember
1985 in einer Blitzaktion dem Erdboden gleichgemacht. Daß der Kenzinger Lokschuppen
der letzte unverändert erhalten gebliebene Lokschuppen der Anfangszeit und
somit nicht nur der älteste in Baden, sondern einer der ältesten in ganz Deutschland war,
sei hier nur am Rande vermerkt. Zugleich verschwand mit ihm das letzte Schrankenwärterhäuschen
älterer Bauart entlang der ganzen Strecke. Das Empfangsgebäude selbst wurde
bei seinem zweiten Umbau 1965 des Uhrtürmchens beraubt und durch die vorgesetzte
Glaswarze völlig entstellt. Je nach Blickwinkel erinnert es von der Straßenseite her eher
an einen mißratenen Tierkäfig im Zoo als an ein Empfangsgebäude einer Bahnstation.
Noch ist der Schalter besetzt. Sei kurzem privatisiert, verkauft jetzt ein Reisebüro Bahnleistungen
. Zwar erhalten wir dort jetzt computergedruckte Fahrkarten, die Aufgabe von
Reisegepäck oder Expressgut ist aber nicht mehr möglich. Erweist sich hier der Fortschritt
etwa als ein Rückschritt?
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