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Kaum eine Zunftversammlung vergeht ohne die notwendige Schlichtung oder Erörterung
von Streitigkeiten. Die Zünfte hatten eine eigene Gerichtsbarkeit. Bei offener Lade erhält
die Entscheidung Rechtskraft. Natürlich stand über dem Zunftgericht das öffentliche Gericht
in allen strafrechtlichen Dingen und auch in Gewerbestreitigkeiten, deren Entscheidungen
die Zunftgerichte abgelehnt hatten.
Von Seiten der Stadt wurde immer wieder versucht, den Einfluß und die Macht der Zünfte
nicht zu groß werden zu lassen. Dies führte aber dazu, daß im Jahre 1696 der Bürgermeister
der Stadt, Adam Schwab, zurücktreten mußte.
In einer Urkunde wird er ermahnt, sein allzu energisches Regiment zu mildern, die Bürgerschaft
als getreue österreichische Untertanen zu behandeln und sie nicht durch Drohungen
, Schimpfworte, schlagen und stoßen einzuschüchtern.
Im Zunfthaus wurde Ende des 16. Jahrhunderts die Stadtschreiberei eingerichtet. Der Stadtschreiber
hatte Wohnung im Haus.
Die Zünfte waren auch für das gesellige Leben zuständig; sie organisierten Tanz und Umzüge
. Dem Frohsinn und der Lebensfreude zugetan feierten sie Feste, die auch in der heutigen
Zeit in abgewandelter Form vorhanden sind (Austreiben des Winters,
Sommersonnenwende, Herumziehen in grotester Verkleidung (Fasnet).
Die Versammlungen waren nicht nur strengen Ritualien unterworfen. Es wurde auch kräftig
gefeiert. Ein Teil der durch Verfehlungen eingegangener Bußgelder wurde am gleichen
Tag vertrunken und auch manche deftige Mahlzeit im Zunfthaus verzehrt. Das Zunfthaus
war auch stets wandernden Gesellen offen. Wenn diese bei einem Meister keine Arbeit fanden
, konnten sie sich zwei bis drei Tage auf Kosten der Zunft aufhalten.
Die Zünfte hatten meist ein gutes Verhältnis zur Kirche. So verehrte jede Zunft ihren Zunftheiligen
oder Patron. Bei den Prozessionen nahmen die Zünfte geschlossen mit ihren Fahnen
, Standarten und Statuten teil.
Welchen Stellenwert so eine Prozession hatte, zeigt uns die Begebenheit in Colmar, die
zum längsten Arbeitskampf in Deutschland führte: Der Streik der Colmarer Bäckerknechte.
Für die heutige Zeit ist dieses Ereignis weder verständlich noch nachvollziehbar.
Die Bäcker hatten bis dahin allein an Fronleichnam das Allerheiligste begleitet, weil sie
im Besitz der kostbaren Kerzen waren. Nun hatten andere Zünfte noch kostbarere Kerzen
beschafft und wurden deshalb auch zugelassen. Darauf verweigerten die Bäcker ihre Teilnahme
. Im nächsten Jahr 1495 wurden sie deshalb ausgeschlossen. Darauf verließen sie
ihre Backhäuser und auch die Stadt. Sie wurden vom Gericht in Bergheim zu einer Geldstrafe
verurteilt, weil sie die Stadt nicht durch die Tore verlassen hatten. Die Bäckerknechte
der ganzen Region solidarisierten sich und es kam zu Streiks und Aussperrungen, auf
beiden Seiten herrschte große Not. Das Reichskammergericht zu Frankfurt fällte schließlich
1505 (also nach 10 Jahren) den Urteilsspruch, daß die Strafen wie auch die Prozeßkosten
der Bäckerzunft in Colmar aufzubürden sind. Die Bäckerknechte sind bei der Prozession
wieder in ihren alten Rang einzusetzen. Es war ein teurer Sieg.
Im 18. Jahrhundert hielten sich die Zünfte immer weniger an ihre Vorschriften, so daß
es zu Lockerungen und Unordnung kam.
Vom Rat der Stadt wurden neue bindende Statuten erlassen (31. Okt. 1778 für das Metzgerhandwerk
).
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