Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
10. und 11. Jahrgang.1990/1991
Seite: 122
(PDF, 67 MB)
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Manche Firmeninhaber bzw. -inhaberinnen
verbinden mit der Vorkriegszeit lebhafte Erinnerungen
, zu denen Licht und Schatten
gehören. Um mit den Schatten anzufangen:
Für viele Menschen bedeutete das Leben eine
arge Plackerei, oft am Rande dessen, was
wir heute Armut nennen. Die Arbeitstage
waren lang, Urlaub weitgehend unbekannt.

Nicht nur die wöchentliche, sondern die Lebensarbeitszeit
ging stark zurück. Wer Anfang
des Jahrhunderts das Arbeitsleben
begann, hatte insgesamt fast 110000 Stunden
zu schaffen, der 1985 in die Berufsarbeit
Eintretende noch 59500 Stunden. Dem
entspricht, daß für viele das Jahr heute nur
noch 203 echte Arbeitstage hat; denn von
den 365 Tagen gehen 104 Samstage und
Sonntage ab, ferner 31 Urlaubs- und 13 Feiertage
, schließlich im Durchschnitt aller Arbeitnehmer
12 Krankheits- sowie zwei
weitere Ausfalltage. Dieser Rückgang der Arbeitszeit ist keineswegs selbstverständlich, wie
ein Vergleich mit einem Nachbarland zeigt: Die tarifliche Jahresarbeitszeit beträgt in der
Bundesrepublik (»alte Länder«) 1648 Stunden, in der Schweiz 1873 Stunden.

Zurück nach Kenzingen: Zum Geschäft gehörte meist noch etwas Landwirtschaft; man
besaß ein oder zwei Pferde für den Wagen, die gefüttert und gepflegt werden wollten; darüber
hinaus hatte man während der Weltkriege einmal mehr die Erfahrung gemacht, wie
wertvoll ein großer Garten oder gar ein Stück Feld in Zeiten von Not und Mangel ist.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, daß manche Gesprächspartner sich gern an
das letzte Jahr vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erinnerten: Die vielen Arbeiter, die
seit dem September 1938 Tag und Nacht am Westwall schufteten, brachten Geld in die
Stadt. Bauunternehmer kamen mit der Arbeit ebenso wenig nach wie Eisenwarengeschäfte
, die tausend große und kleine Bestellungen ausführen sollten. Die massenweise verkauften
Spaten, Pickel, Schubkarren usf. verweisen darauf, daß Erd- und Bauarbeiten noch
1938 harte Knochenarbeit bedeuteten.

Auf rauschhafte Begeisterung (»Anschluß« Österreichs im März 1938) und ängstliche Beklemmung
(»Sudetenkrise« im Herbst desselben Jahres) folgten seit dem 1. September 1939
sechs lange Jahre des Krieges. Er kostete auch viele Kenzinger das Leben; andere büßten
Gesundheit und Glück ein, wieder andere »nur« materielle Werte, z.B. ihr Haus. Der Krieg
führte Kriegsgefangene und ausländische Zwangsarbeiter in die Stadt; rückblickend erscheinen
sie wie Vorboten der Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen. Seit Anfang
der 1950er Jahre mußte ein — wenn auch kleiner — Teil von ihnen in Südwestdeutschland
ernährt, behaust, bekleidet und in Arbeit gebracht werden.

DIE GESCHICHTE DER ARBEITSZEIT läßt sich bis in die Anfangsjahre des
19. Jahrhunderts zurückverfolgen. Damals hatte die Arbeitswoche im Durchschnitt
82 Stunden, der Arbeitstag hatte bis zu 14 Stunden. Dem Arbeiter von
einst wurde die Arbeitsweit von heute sicherlich paradiesisch erscheinen: 38
Stunden, verteilt auf fünf Tage in der Woche, geregelter Jahresurlaub, humane
Arbeitsbedingungen. Der Weg der Arbeitszeitverkürzung verlief dabei über
viele Stationen. Und er ist noch nicht zu Ende: Die „35" - von der IG Metall
schon 1985 gefordert - erscheint nun am Horizont Von 1995 an wird sie für die
Metaller und für die Drucker gelten. sz

Fig.: Die Geschichte der Arbeitszeit, Süddeutsche
Zeitung Nr. 119, 25.5.1990, S. 31.

Von der Freß- zur Reise»welle«

Viele Kenzinger erfuhren die Jahrzehnte seit dem Ende der 40er Jahre (»Währungsreform«,
Juni 1948) als Zeit eines beispiellosen Aufschwungs. Mehr denn je waren nun private Initiative
, unternehmerischer Wagemut und innovatorische Fähigkeiten gefragt. Man verstand
es, sich Waren zu beschaffen, ob mit dem Fahrrad oder mit Roß und Wagen.

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