Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
10. und 11. Jahrgang.1990/1991
Seite: 138
(PDF, 67 MB)
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Die Rentabilitätsrechnung kann nun selbst erstellt, Ladenhüter oder »Penner« wie es im
Branchenjargon heißt, aufgefunden werden. Eine Werbeaktion, ob sie nun durch Zeitungen
, Werbebriefe oder Flugblätter in Gang gesetzt wurde, läßt sich durch Eintippen der
entsprechenden Artikelnummern beim Verkauf erfassen und auswerten. Das neue System
ermöglicht nämlich, die gängigen und die schwerer verkäuflichen Waren herauszufinden,
so daß gezielter auf das Käuferverhalten reagiert und auf die Wünsche der Stamm- und
Laufkundschaft (etwa 60 °7o der Käufer) eingegangen werden kann. Wie sich herausgestellt
hat, wird ein breitgefächertes und vielfältiges Angebot erwartet; der Kunde will zwischen
verschiedenen Farben, Formen und Stoffarten auswählen. Der Trend geht dabei immer
mehr zu strapazierfähigen und pflegeleichten Materialien, d.h. Wolle und Baumwolle mit
Beimischungen. Ein großes Warenangebot verlangt hohen Kapitaleinsatz; daher hängt, vom
»richtigen« Einkauf der Erfolg ab. Die Ware wird heute über den Einkaufsverband oder
direkt von der Industrie bezogen — der Großhändler hat in der Textilbranche ausgedient.

Angestellt — Selbständig

Ein Familienbetrieb ist auf die Mitarbeit von Familienangehörigen angewiesen. Der Ehefrau
— eine »ausgezeichnete Mitarbeiterin« — fällt dabei eine wichtige Rolle zu, nicht
nur weil sie im Krankheitsfall den Geschäftsinhaber zu ersetzen hat. Steigt noch die Tochter
ins Geschäft ein, so besteht die Chance, eine neue, jüngere Käuferschicht »anzuziehen
«. Sybille Schlenker hat nach der Mittleren Reife eine kaufmännische Lehre bei der
Fa. Fabel in Freiburg absolviert und arbeitet seither im elterlichen Geschäft mit. Ohne Angestellte
kann ein so großer Betrieb allerdings nicht geführt werden. Von den fünf Beschäftigten
, die eine Fachausbildung als Kauffrau haben, fällt bei einem Urlaubsanspruch von
35 Arbeitstagen pro Jahr fast immer eine aus — Betriebsurlaub wird nicht gemacht —,
zumal wenn noch Krankmeldungen dazukommen. »Inhaber dürfen nie krank werden«,
meint Herr Schlenker — das Vorhandensein eines vollaktiven Inhabers wird bei Selbständigen
in Handel und Handwerk vorausgesetzt.

Im Bereich der Sozialpolitik sind seit Franz Schlenkers Eintritt ins Geschäft im Jahr 1950
umwälzende Änderungen vorgenommen worden. Beträgt heute die tarifliche Arbeitszeit
im Einzelhandel 37,5 Stunden pro Woche, so sollte man sich auch einmal zurückerinnern:
1950, als Franz Schlenker in das Geschäft eintrat, betrug die wöchentliche Arbeitszeit noch
50 Stunden! Bei den Selbständigen dagegen hat sich die Arbeitszeitverkürzung kaum realisieren
lassen, noch 1978 rechnete man mit 56,5 Stunden. Geht man von den Ladenöffnungszeiten
aus, so sind von vornherein 50 Stunden anzusetzen, dazu kommt noch die
Arbeit im Büro. Ändern sich nun die Ladenöffnungszeiten, z.B. durch Einführung des
Dienstleistungsabends, so muß diese zusätzliche Arbeitszeit meist allein von den Geschäftsinhabern
erbracht werden.

Eine noch 1950 nicht vorhersehbare Entwicklung hat der Anteil der Sozialversicherung
am Bruttoverdienst genommen: Reichten 1950 noch knapp 20 °Io (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil
) für Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung aus, so sind es 1991
fast doppelt soviel (36,75%). Das soziale Netz hat sich noch weiter verdichtet. Nach dem
Mutterschaftsgeld, welches 14 Wochen lang bezahlt wird, kann ein Erziehungsgeld in Anspruch
genommen werden, das zur Zeit 18 Monate lang — es soll auf drei Jahre verlängert
werden — ausgeschüttet wird. Welche Errungenschaft, wenn sich Franz Schlenker das harte
Leben seiner Mutter vor Augen hält! Nach der Geburt eines Kindes wurde sie vielleicht
zwei Wochen lang von der Arbeit auf dem Kartoffelacker freigestellt. Aus der Sicht des
Arbeitgebers stellen sich soziale Errungenschaften anders dar, denn während des Erziehungsurlaubs
muß ein entsprechender Arbeitsplatz freigehalten werden, kann also nur kurzzeitig
, vielleicht durch Aushilfen, besetzt werden. Selbständige können das Erziehungsgeld
ebenfalls in Anspruch nehmen, sofern das Familieneinkommen die Höchstgrenze nicht
überschreitet. Außerdem darf die wöchentliche Arbeitszeit 19 Stunden nicht überschreiten.
Eine fast unerfüllbare Forderung für Geschäftsinhaber, die jedoch dem Kind zugute kommt.

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