Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
10. und 11. Jahrgang.1990/1991
Seite: 279
(PDF, 67 MB)
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Bald darauf verließ sie ihre Heimatstadt und begann in Hamburg eine kaufmännische Lehre,
die ihr später noch sehr nützlich sein sollte. 1926 heiratete sie den Experimental- und Rönt-
genphysiker Dr. Josef Frank, den sie bereits von der Schulzeit in Kenzingen her kannte.
Er war an einem Hamburger Krankenhaus beschäftigt und übte außerdem eine beratende
Funktion als Physiker bei den Dregger-Werken aus. Die Familie - drei Kinder hatten sie
inzwischen bekommen - wohnte in einem Haus in Hamburg, bis zu ihrer Rückkehr nach
Kenzingen 1948.

Es war ein bewegtes Leben, das sie während des »Dritten Reichs« führten, denn Josef Frank
kam häufig auch mit jüdischen Naturwissenschaftlern zusammen. So sahen sie bei einem
Kongress noch Einstein, kurz bevor er nach Amerika emigrierte. Ihr Hamburger Freundeskreis
war zweigeteilt, im einen trafen sich die pronazistisch, im anderen die antinazistisch
eingestellten Bekannten. Lotte Frank nannte ihr Heim »Antinaziburg«; dort hörte
man den englischen Sender und ließ sich Bücher aus der Schweiz kommen, die nur mit
neutralem Einband gelesen werden durften. Zu ihren Freunden zählte der später von den
Nationalsozialisten inhaftierte Professor für Kinderheilkunde Degkwitz, dessen Sohn dann
nach Freiburg zog. Um 1940 kam ihnen erstmals zu Ohren, was mit den abtransportierten
Juden geschah. Es war ein Leben auf dem Pulverfaß, denn neben dem rund 50 km von
Hamburg entfernten Krankenhaus, in welchem Josef Frank arbeitete, lag das KZ von Bevensen
, nur durch einen Drahtzaun abgetrennt. Dies erfuhren sie allerdings erst viel später.

Nach der Rückkehr aus Hamburg profitierte Lotte Frank von ihrer kaufmännischen Ausbildung
, als sie die Leitung der väterlichen Großhandelsfirma nach dem plötzlichen Ableben
des bisherigen Geschäftsführers, ihres Schwagers Jörger, übernahm. Nun kam es ihr
zugute, daß sie in den Zwanziger Jahren häufig in Kenzingen gewesen, nie den Betrieb
aus den Augen verloren hatte. Während eines solchen Besuchs hatte der Vater sie noch
eingearbeitet, ohne etwas von seiner schweren Krankheit zu ahnen. Nach seinem Tod 1930
kümmerte sie sich einige Jahre um die Firma und fuhr ständig zwischen Hamburg und
Kenzingen hin und her. Bei der Geschäftsübernahme 1950 war Lotte Frank die einzige Frau
unter 49 Großhändlern, aber sie fühlte sich nicht benachteiligt und wußte sich durchzusetzen
. 17 Einzelhandelsgeschäfte wurden von ihr beliefert, viele Lehrlinge in all den Jahren
von ihr ausgebildet. Ein erster Rauhreif fiel 1953, als die Firma einen Vergleich anstreben
mußte. Noch einmal wagte Lotte Frank einen Neuanfang. Trotz ihres Einsatzes schlug 1960,
nach rund 130jährigem Bestehen, die Abschiedsstunde für die Firma. Zu viele Lebensmittelketten
waren inzwischen entstanden, die Konkurrenz übermächtig geworden - der Betrieb
lohnte sich nicht mehr. Knapp 60 Jahre alt war Lotte Frank inzwischen, wollte sich
jedoch keineswegs zur Ruhe setzen. Sie nahm eine Stelle als Sekretärin an der Freiburger
Universitätsklinik an und arbeitete dort bis 1968. Am 27. November 1974, 30 Jahre nach
dem schrecklichen Bombardement Freiburgs, starb ihr Ehemann Josef Frank.

Als die Autorin Lotte Frank Anfang 1989 mehrmals besuchte, wußte sie trotz ihres hohen
Alters anschaulich und interessant aus ihrer Hamburger und Kenzinger Zeit zu berichten.
Im Sommer 1990 mußte Frau Frank ihre geliebte Wohnung im Eckhaus neben dem Rathaus
aufgeben und in das Marienhaus in Offenburg ziehen, in die Nähe ihrer Tochter. Ihr
reger Geist nahm noch lange Anteil an den Geschehnissen in ihrer Heimatstadt. Sie bot
sogar noch ihre Mithilfe bei der Stadtgeschichte Kenzingen an, da sie ja »fast ein Jahrhundert
Kenzinger Geschichte« überblicke!

Ursula Huggle

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