Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
12. und 13. Jahrgang.1992/1993
Seite: 109
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für den Ziegelofen von Bedeutung war, außerdem die Kirchenuhr und die Glocken. Nicht
inbegriffen waren das sonstige Kircheninventar, ein Recht auf unentgeltliche Brenn- und
Bauholzlieferungen und ein zollfreier Warentransport 17 . Ferner mußte der alte Klosterpförtner
bis zu seinem Lebensende im Taglöhnerhäuschen geduldet werden. Zu zahlen hatten
Bausch und Helbing die runde Summe von 40.000 fl., davon 2.000 fl. sofort, den Rest
in Jahresraten zu 3.450 fl. bei einer 5%igen Verzinsung der Restsumme, wobei die Landesherrschaft
einen Nachlaß von 3.500 fl. dann zu gewähren bereit war, wenn sich die Fabrik
als florierend und dem Lande zum Nutzen erweisen würde18.

Die Fabrikanten schienen, nach den wenigen zeitgenössischen Zeugnissen zu urteilen, die
uns erhalten sind, umgehend dieser Erwartung gerecht werden zu wollen. Schon kurz nach
Abschluß des Vertrags begannen sie, umfangreiche bauliche Veränderungen in Wonnental
vorzunehmen, so den Abbruch eines Teils der Kirche, den Bau einer Mühle und die Installation
von Trockenböden und Dampfkammern, die für die Herstellung des Kaffeesurrogats
»Zichorie« benötigt wurden. Die Zichorie, vulgo Wegwart, die im Oberrheingebiet
besonders gut gedieh, kultivierte man seit 1790 in Deutschland in zunehmendem Maße,
um die aus ihren Wurzeln gewonnene Masse im Handel als Kaffeezusatz oder (für arme
Leute) als Ersatzstoff anzubieten. Zur Gewinnung dieses Produkts mußten die grünfarbe-
nen Wegwartwurzeln gewaschen, zerschnitten, getrocknet, dann in eisernen Trommeln geröstet
und auf Kollergängen, Scheiben- oder Schlagmühlen gemahlen werden. Das Mehl
wurde in Dampfkammern angefeuchtet. Man erhielt dann eine bröckelige, dunkelbraune
Masse, die nur noch abgepackt zu werden brauchte19. Das Bausch & Helbingsche Etablissement
setzte also eine Reihe von Investitionen voraus. Neben Handwerkern hatten auch
etliche Bauern einen Nutzen davon, denn nur ein Teil der Zichorien konnte unmittelbar
beim Kloster angebaut werden.

Die wohl aufwendigste Produktionsanlage war die Mühle. Gemäß dem Angebot der Regierung
(vgl. die Verkaufsanzeige vom 24. Oktober 1806) beabsichtigten die Unternehmer,
Wasser aus der Elz durch den Klosterhof zu leiten und hier das Mahlwerk zu erbauen,
wobei sie sich auch auf einen Donationsbrief aus dem Jahr 1256 beriefen, gemäß dem
ein Edler von Üsenberg den Nonnen eine Mühlgerechtigkeit zugestanden hatte. Zugleich
eröffneten sie eine Bier- und Weinschenke im Kloster - für die Fuhrleute, wie sie angaben.
Das rief den Magistrat von Kenzingen auf den Plan, zu dessen Gemarkung Wonnental
nun gehörte. Er protestierte sowohl gegen das Gasthaus als eine unliebsame Konkurrenz
für die Wirte in der Stadt als auch gegen die Mühle, die Wasserverluste für die städtischen
Anlagen befürchten ließ. Der Rat berief sich auf die ursprüngliche Zusicherung der Fabrikanten
, mit einer Pferdemühle arbeiten zu wollen, und auf die Verjährung des Mühlenrechts
, da das Kloster dieses nie in Anspruch genommen hatte.

Diese kleinen Querelen jedoch vermochten den Fortgang des Unternehmens nicht zu hindern
. Die Produktion dürfte noch im Jahr 1807 angelaufen sein. Ein genaues Datum hierfür
ist nicht bekannt, auch nicht der Umfang derselben und der Zeitpunkt, zu dem Helbing
die Compagnie verließ. Man weiß nur, daß Georg Bausch im Frühjahr 1808 versuchte,
sein Haus in Lahr zu verkaufen20, um in finanzieller Hinsicht etwas Luft zu bekommen,
und daß er schon ein Jahr später in Geldschwierigkeiten war auf Grund des zeitweilig
stockenden Absatzes seines Produktes und der anstehenden Teilzahlung21.

Allein der Erörterung der Frage durch die badische Regierung in den Jahren 1812-1814,
ob Bausch des im Kaufvertrag in Aussicht gestellten Nachlasses würdig sei oder nicht 22,
verdanken wir eine genauere Kenntnis einer der frühen Zichorienfabriken des deutschen
Südens und ihres Schicksals.

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