Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
17. Jahrgang.1997
Seite: 6
(PDF, 31 MB)
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glichenheit zu wahren - bestimmte protestantische Prediger einer Theologie der pauverte. Und
auch ich weiß um luxuria und gula - um Genußsucht und Gaumenlust - als Gefährdung des
Menschen; und ich werde zum Spielverderber, wo man Fülle und Völlerei verwechselt, wo
Sinnleere durch „Habenmüssen" (Erich Fromm) verdeckt und darin Sinn durch Konsum substituiert
wird.

Ich weiß um den Hunger in dieser Welt - und der fordert unser ganzes Engagement heraus.
Und ich kenne die Wehe-Rufe Jesu über die Fresser und Säufer und auch sein „ Wehe" über
den reichen Prasser, diesen Herrn Jedermann, der den armen Lazarus übersieht, den Lazarus,
der in der Gestalt der Dritten Welt uns vor die Füße gelegt ist. Ich weiß um die Gefahr der
„neuen Unersättlichkeit" unserer Tage und ebenso um die Gefahr der „Totalästhetisierung"
des Essens und Trinkens.

Und es gilt wohl allgemein: die Bibel ist nicht durch Restaurantführer ersetzbar.

Ja, das alles kenne ich und nehme es ernst. Aber ich kenne eben auch die Tradition, die mir im
Alten und Neuen Testament begegnet und bei so manchen Vätern, die anders reden, wenn es
um Essen und Trinken geht, und die von Gott (so im Alten Testament) als dem „Liebhaber"
des Lebens sprechen, der auch uns zum dankbaren, genießenden Umgang mit aller weltlichen
Wirklichkeit befreit - Schöpfung, sie ist ja seine gute Gabe an uns. Und Er will, daß inmitten
aller Trübsal und Vergänglichkeit sein Fest schon jetzt unter uns gefeiert wird.

Für mich gilt: Ich nehme die „beneditktinisch-asketische Tradition" ernst - und die sieht anders
aus als das, was uns als „fröhlicher Mönch" auf Weinetiketten oder Käse- und Bierdeckeln
begegnet, aber auch anders als der Abbe des vorrevolutionären Frankreichs -, und ich
habe zugleich „am Essen und Trinken Spaß", und ich freue mich an gelungener Gastlichkeit.
Und wo ein Fest gelingt, da kommt Freude auf. Gewiß, es ist noch keine letzte Freude, aber es
weist in die richtige Richtung.

Ich weiß um das Lärmende mancher Feste, wo nur Gedrängel ist, aber kein Zusammensein.
Aber ich weiß auch: Essen und Trinken, Beisammensein, Festlichkeit (und das braucht nicht
immer gleich Feierlichkeit zu sein) und die darin erfahrbare Freude, die haben mit „Himmel"
zu tun. Für solche Erfahrung sollten wir uns frei halten, daß auch im Beisammensein in „weltlicher
" Weise, im Jetzt und Hier, uns ein „Vorab des Letzten", eine „Signatur des Himmels"
angeboten wird. Mir imponiert es, welch' große Ehrfurcht gläubige Juden vor dem Eßtisch
haben. Er hat etwas mit dem Altar zu tun. Das sollten auch die Christen wieder lernen. In-
sich-hinein-Fressen, das kann man allein stehend oder hockend vor dem Kühlschrank (muß
ich jetzt noch sagen, daß mir das „kalte Büffet" nicht viel sympathischer ist?). Der Tisch, der
macht's! Von einem Rabbi in Frankreich wird erzählt, er habe angeordnet, daß nach seinem
Tod sein Sarg aus den Brettern seines Tisches angefertigt werden solle, an dem er seinen
Freunden Gastfreundschaft erwiesen und an dem er mit ihnen gespeist hatte. - Und wenn Juden
das Dankgebet sprechen, darf kein Messer auf dem Tisch sein. Sie denken an Frieden und
Leben und denken nicht ans Töten.

Ja, das soll alles auf friedliche und freundliche Gemeinsamkeit hindeuten. Das gehört mit zu
meinen persönlichen Erfahrungen: gemeinsames Essen überbrückt Feindschaften, läßt einen
trotz der Unterschiedlichkeit von Standpunkten dennoch beisammensitzen und festigt bestehende
Freundschaften.

Am Tisch beisammensitzen: eben stand man noch beisammen, der eine von größerer Statur,
der andere klein. Eben schaute der eine noch zum anderen herab und der andere zu jenem hinauf
. Jetzt aber: man ist beisammen, nicht mehr oben und unten, man begegnet sich auf gemeinsamer
Augenhöhe.

Wo man dann gemeinsam ißt und trinkt, da hört Unrast auf, man kann zur Ruhe kommen.
Gelöstheit stellt sich ein, so etwas wie Frieden kommt auf. Und wenn es gut kommt, so kann

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