http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1997-17/0009
Abb. 3: Das Mittagessen, Pierre-Auguste-Renoir (1841 - 1919).
Gastlichkeit zum Fest werden. Ich kenne solche Erfahrungen von gelungener Gemeinsamkeit
im Mahlhalten; und wo mir der Tisch so bereitet wird, schäme ich mich nicht, dies als „Signatur
des Himmels" zu bezeichnen auf die Gefahr hin, daß man mich einer zu "vollmundigen"
Sprache zeiht.
Das alles nun „nur" eine geistliche Deutung von sinnenhafter Erfahrung? Nein! Es ist mehr
als eine bloße Deutung. Ich meine es anspruchsvoller: im Sinnlich-Greifbaren Geistliches unmittelbar
erfahren und über solche sinnliche Erfahrung vielleicht wieder auf den Geschmack
kommen und Geschmack finden an dem, was noch aussteht, was nur als Traum gegenwärtig
ist, was unsere letzte Sehnsucht ausmacht und alle unsere Erfahrungen transzendiert. Aber es
kommt in solchen Erfahrungen jetzt und hier schon ein stückweit an. Ich meine: ein Stück Leben
geht verloren, wenn man Sinnliches und Geistig-Geistliches nicht mehr miteinander erfahren
kann, wenn man trennt, was für den Menschen als geist-leibliches Wesen untrennbar
zusammengehört.
Das Geistige (und auch das Geistliche) wird nicht „edler", „größer", „wertvoller", wenn man
es bar jeden Bezuges auf Sinnliches erleben möchte; und das Sinnliche ist nicht „eigentlicher"
und „unmittelbarer" erlebbar, wenn man es „an sich" erleben möchte und es seiner Transparenz
auf anderes hin beraubt.
Ich kann keinen Geschmack finden an ungeistiger Sinnlichkeit, aber ebenso ist mir eine unsinnliche
Geistigkeit zuwider! Beides - Sinnlichkeit und Geistigkeit - gehört zusammen.
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