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1. Die Entwicklung der Kulturrebe4
Wann die erste Rebe kultiviert und aus ihren Früchten Wein bereitet wurde, liegt im vorgeschichtlichen
Dunkel verborgen. Voraussetzung für die Inkulturnahme von Wildreben waren
zwei Umstände:
- ihre Vermehrung über Traubenkerne oder Stock- und Wurzeltriebe und
- das Seßhaftwerden der Nomaden.
Viele Daten und Funde sprechen dafür, daß im Neolithikum (Jungsteinzeit, ca. 3000 v.Chr.)
die Wildrebe Vitis vinifera silvestris von Menschen in Turkmenien am Ostufer des Kaspi-
schen Meeres selektiv in Kultur genommen wurde und daraus lokale Sorten entstanden. Als
Ergebnis dieser Selektion ist die allmähliche Vergrößerung der Trauben und Beeren anzusehen
. Von dort aus entwickelte sich unsere heutige Kulturrebe Vitis vinifera sativa in den Oasen
von Kleinasien, in Mazedonien und Griechenland, Standorte, die sich durch einen hohen
Stand der Agrartechnik und der Bewässerung auszeichneten.
Das antike kleinasiatisch-mazedonisch-griechische Kulturzentrum kann somit als die Wiege
der Sar/Va-Sorten unserer heutigen Kulturreben bezeichnet werden. Einer Verbreitung dieser
selektierten Sorten in andere Gebiete stand nichts mehr im Wege.
Eine Sortengruppe zeichnet sich durch kleinere oder mittelgroße, kompaktere, vorwiegend
blaue, aber auch weiße oder rötliche Trauben aus. Diese Gruppe wanderte aus dem östlichen
Mittelmeerraum über Italien, Spanien und Frankreich nach Mitteleuorpa: Vitts v. occidentalis.
Andererseits gelangte diese eurasische Weinsorte auch über den Balkan und die Donau nach
Südosteuropa.
Die Sorten des rein griechischen Einflußgebietes, die auch im Schwarzmeerraum angebaut
wurden, nennt man Vitis vinifera pontica.
Die dritte Sortengruppe, die sich in Mittel- und Vorderasien unter dem Einfluß des Islam entwickelte
, heißt Vitts v. orientalis; das sind vorwiegend Tafeltrauben.
2. Erste Zeugen der Weinbereitung
Die technischen Möglicheiten und die kulturelle Entwicklungsstufe der Weinbereitung waren
am frühesten in den Gebieten der großen alten Hochkulturen im Bereich des Zweistromlandes
, an den Ufern der Flüsse Euphrat und Tigris, aber auch des Nils sowie in den großen Oasen
der Wüsten dieses Gebietes gegeben. 1969 wurde etwa in einem 25 km südwestlich von
Damaskus gelegenen Hügelland eine Frucht- und Traubenpresse gefunden, deren Alter auf etwa
8000 Jahre geschätzt wird. Der berauschenden Wirkung des Getränkes wegen wird der
Ursprung des Weines in den Kulturen des Altertums vielfach der Gunst einer Gottheit (Osiris,
Dionysos, Bacchus) zugeschrieben.
Vorderer Orient
Nachweise für Rebkultur und Weingenuß gibt es für die prähistorische Dschemdet-Nasr-Kul-
tur (3000 v.Chr.) in Uruk im südlichen Mesopotamien. Da sind uns Reben auf bewässerten
Terrassen bekannt. Bei den assyrischen und babylonischen Königen war der "Wein von den
Bergen" beliebt. Assurnasirpal II. (883-859 v.Chr.) besaß Weingärten, und Sanherib (704-
681) baute Rebsorten mit ausgeprägtem Fruchtgeschmack an. Sargon II. (721-705 v. Chr.)
und Nebukadnezar II. (604-562 v.Chr.) importierten Wein vom Van-See. Assurbanipal (669 -
ca. 627 v.Chr.) setzte in seiner Bibliothek die besten Weine als "Reiner Wein von Izalla" an
die erste Stelle und an die zweite den "Wein von Heibon" bei Damaskus. Diesen Wein kannte
auch schon der Prophet Hesekiel. In der Gesetzessammlung von Hammurabi (1728-1686
v.Chr.) war auch schon ein Weinschankrecht bekannt.
J) Heinz Gert Woschek, Der Wein, Geschichte und Geschichten über Jahrtausende, Callwey Verlag
1971.
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