http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1997-17/0100
terscheidet sich nämlich die Kenzinger Brumbeere von der Riegeler Brumbele, der Bahlinger
Brumbeeri und der Bötzinger Bromele.
Wenn daher im folgenden von Unterschieden im Wortschatz der Winzer und Landwirte gesprochen
wird, so darf man nicht vergessen, daß das "Klangbild" eines Dialekts im wesentlichen
nicht vom Wortschatz, sondern von den lautlichen Besonderheiten abhängig ist.
3. Der landwirtschaftliche Wortschatz und die Winzerterminologie
Der landwirtschaftliche Wortschatz ist bei allen sprachgeographischen Untersuchungen stets
ein wichtiger Aspekt, denn dieser Teilbereich änderte sich lange Zeit nicht so stark wie andere
Teile unseres riesigen Wortschatzes. Außerdem hat man den Vorteil, durch das Abfragen des
landwirtschaftlichen Wortschatzes Material zu bekommen, das gut vergleichbar ist, denn die
landwirtschaftlichen Geräte und Tätigkeiten sind größtenteils auch über weite Gebiete gleich.
Demgegenüber nimmt die Untersuchung der Winzerterminologie bei den großen Sprachatlasunternehmen
eine eher untergeordnete Rolle ein. Diese Lücke versucht seit einigen Jahren
der Mainzer Germanist Wolfgang Kleiber mit seinem "Wortatlas der kontinentalgermanischen
Winzerterminologie" (WKW) zu schließen. Bevor wir auf erste Ergebnisse dieser Arbeit
eingehen, wollen wir noch kurz einen Blick auf die landwirtschaftliche Terminologie
werfen.
In meiner laut- und wortgeographischen Arbeit über die "Breisgauer Mundarten"2 habe ich
u.a. zu zeigen versucht, daß die Breisgauer Mundarten sich nicht nur - wie eingangs erwähnt -
sehr stark von der Ortenauer und der Markgräfler Mundart, sondern auch von der Schwarzwälder
Mundart unterscheiden. Ein Beispiel für eine solche Breisgauer Geschlossenheit sind
die Bezeichnungen für den Wetzsteinbehälter. Er heißt im Breisgau überall Kumpf, im oberen
Elztal und im Markgräflerland dagegen Futterfaß, vom Dreisamtal bis nach Freiamt Steinfutter
. Auch in anderen Beispielen taucht besonders der Schwarzwald immer wieder als eigenständige
Sprach- und Kulturlandschaft auf. So heißen die großen Reihen Heu, die man am
Abend macht, in den Tälern des mittleren Schwarzwaldes Ruder, im Breisgau hingegen - dieses
Mal sogar geschlossen - Schoren, und das Wiederkäuen der Kühe heißt in der Ebene dau-
en, mundartlich daje, doije, im Schwarzwald maiben (Abb. 2). Ein brünstiges Schwein ist hier
rissig, dort rosslig, das weibliche Kalb ist hier ein Mutterkalb, dort ein Kühekalb, und der
Kirschkorb ist hier ein Kratten, dort ein Korb.
Während man in Kenzingen im lautlichen Bereich einen Einfluß der Ortenauer Mundarten nur
sehr selten feststellen kann, ist im landwirtschaftlichen Wortschatz ein solcher Einfluß durchaus
- wenn auch nicht häufig - feststellbar. Wenn man beispielsweise in Kenzingen zu einem
Kuhschwanz Wedel sagt, so zeigt sich darin genau dieser Einfluß, denn die eigentliche Breisgauer
Benennung wäre Wadel. Ebenso ist es bei der Grasschwade, die hier Schwank heißt,
während sie dort als Schore bezeichnet wird. Nur in wenigen Fällen kann man im landwirtschaftlichen
Wortschatz auch innerhalb des Breisgaus Unterschiede festhalten. Ein Ackermaß
für 36 ar nennt man im nördlichen Breisgau Jich oder Ich (beide Ausdrücke gehören zu Joch),
im südlichen Breisgau Juchart. Wenn man den Mist auf dem Feld verteilt, sagt man hierzu
am Kaiserstuhl und am Tuniberg zettlen, in der Rheinebene dagegen spreitlen, und das
Stecken der Samenkartoffeln heißt im westlichen Breisgau von Oberrimsingen bis Kenzingen
stecken, im östlichen Breisgau hingegen setzen. In einem Fall ist Kenzingen zusammen mit
Hecklingen sogar äußerster Vorposten und damit Grenzort eines nach Süden vordringenden
Ortenauer Einflusses. Die Pflugschar heißt nämlich in der Ortenau bis hierher Pflugeisen, südlich
Hecklingen und Weisweil aber Wegeisen (Abb. 3). Und sind Kenzingen und Hecklingen
98
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1997-17/0100