Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
17. Jahrgang.1997
Seite: 115
(PDF, 31 MB)
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meindekasse übertragen, die dann mit der Flinte bewaffnet tagsüber der eine in der „Striche",
der andere am „Galgenberg" Wache halten und ab und zu durch einen Schuß den Leuten die
Anwesenheit anzeigen mußten. Diesen Trubehüeter wählte man zum Symbol und zur gleichnamigen
Maskengestalt der am 19. Januar 1959 begründeten Zunft. Heute zählt die Zunft 195
Mitglieder. Das Zunfthäs der Trubehüeter setzt sich zusammen aus einer grünen Kutte mit
handgestickten Trauben auf einem dunkelgrünen Samtaufsatz. Dazu gehört ein rotes Halstuch
mit weißen Tupfen, eine schwarze Kniebundhose und rote Kniestrümpfe. Die Holzmasken
wurden nach den Gesichtszügen des letzten amtierenden Trubehüeters gemacht. Begleitet
werden die Bohlinger Trubehüeter von schmucken Wimmlerinnen (Weinleserinnen). Die
Wimmlerin, die weibliche Fasnachtsfigur, hat eine weiße Trachtenbluse, ein Mieder aus
moosgrünem Samt mit roter Borte, einen braunen Leinenrock, eine gelbe Schürze, ein weißrot
getupftes Dreieckstuch und einen Korb mit Trauben.

Von Besonderheit sind zwei Bräuche: Der Weibertnmk und das Weinfest im Herbst. Zum ersten
Mal erwähnt wird der Weibertrunk um 1853 und zwar wie vermerkt, nach „Altem
Brauch", mit welchem eine Tanzbelustigung verbunden war. Diese eigenartige Sitte soll zu
Ausschreitungen geführt haben, weshalb sie, durch Obrigkeiten beschlossen, um 1805 abgelöst
und nun von der Trubehüeter-Zunft in verbessertem Stil als Brauchtum wieder eingeführt
worden ist. Am Fasnetsamstig wird um 14.30 Uhr der traditionelle Weibertrunk beim
Oberbürgermeister von Singen im dortigen herrlichen Gewölbe des Rathauskellers unter Mitwirkung
der Zunftmusik und aller Wimmlerinnen abgehalten.

Auf den von Kennern überaus geschätzten und an den Hängen des Hohentwiel (in Mundart
Hobil) wachsenden edlen Tropfen beziehen sich die Hobiler Rebwieber der Poppele-Zunft
Singen. Die fasnächtliche Überlieferung reicht dort etwa bis in die 1820er Jahre zurück. Neben
den traditionellen Fasnet- und Traditionsfiguren Hoorig Bär, Blätzlihansel, Fellbär mit
Treiber, Poppele, Eierwieb u.a. trat 1936 zum ersten Mal die Rebwiebergruppe auf, die inzwischen
auf zirka 300 Mitglieder angewachsen ist. Sie tragen eine Arbeitstracht. Die Rebwieber
vu Singe wollen die Frauen aus dem Dorf darstellen, die in früheren Zeiten in die Reben am
Hohentwiel zum Arbeiten gingen, um auf diese Weise insbesondere beim Herbsten einen kleinen
Nebenverdienst zu erwerben; dies war außer „Tännle setzen" eine der wenigen Möglichkeiten
. Die Arbeitstracht besteht aus Bluse, Rock, Schürze, Kopftuch und einem Vespersäckle
und blau-weiß geringelten Strümpfen. Eine Besonderheit stellt der Rebmeister in der Gruppe
dar: Der erste Rebmeister Engelbert Lienhard war Rebmeister des heute zum Staatsweingut
Meersburg gehörenden Rebgutes "Olgaberg" am Hohentwiel. Der heutige Rebmeister und
Mitbetreuer der Gruppe, Wolfgang Schaller, übt dieses Amt seit mehr als zehn Jahren aus.
In Espasingen (5 km südlich von Stockach in Richtung Radolfzell), wo in früheren Jahren an
einigen steilen Südhängen Weinbau betrieben worden ist - die letzten dem Markgräflich von
Odman'schen Hause gehörenden Reben im Gewann „Herrenstein" wurden erst in den 50er
Jahren dieses Jahrhunderts gerodet -, sollen einmal zu einem schlechten Jahr die Trauben
nicht reif geworden sein. Darauf kam ein erfinderisch veranlagter Espasinger auf die Idee, die
halbreifen Trauben vor dem Keltern mit Hilfe von Dreschflegeln zu zerkleinern bzw. weich
zu schlagen. Dies nützte jedoch nichts, vielmehr war der Wein so sauer, daß er seinen Genießern
fast ein Loch in die Magenwände gefressen haben soll. An diese Ortsüberlieferung
knüpft die Espasinger Trubedrescher-Zunft an.

Die Trube-Krise-Rätscher von Sipplingen sind an und für sich mit ihrem roten Blätzlehäs
echte Hänsele-Gestalten. Sie möchten daran erinnern, wie wichtig und notwendig es vor der
Erfindung moderner Vogelabwehrmaßnahmen war, sich mit dem Lärmen der Rätschen vor
den überaus gefräßigen Liebhabern der Trübe (Trauben) und Kriese (Kirschen), den Starenvögeln
als den Hauptfeinden des in Sipplingen betriebenen Obstanbaus, zu schützen.
In dem heute 390 Einwohner zählenden Dorf Oberstenweiler, einem Teilort von Salem, stehen
seit 55 Jahren keine Reben mehr. Die dortige Narrenzunft der Trubepflegler verdankt

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