Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
17. Jahrgang.1997
Seite: 126
(PDF, 31 MB)
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deren übereinander bis zum Trottbaum hinauf. Vornen am Spindelbaum harrte schon der
durchgesteckte starke Bengel des Zudrehens. Jetzt konnte man lustig im Kreise um die
Spindelsteine springen. Zuerst ging es wie geschmiert, da die Last des Trottbaumes selber
drückte, allmählich aber langsamer und immer herber; man brauchte Vorspann. Der
Trottbaum senkte sich immer tiefer, so daß man beim Darunterdurchgehen sich bücken
mußte. Die beiden riesigen Steine, die unten am Spindelbaum befestigt waren, hoben sich
frei in die Höhe und verursachten dadurch einen ungeheueren Hebeldruck des Trottbaumes
auf die Traubenschicht am anderen Ende. Hinter dem Trottbett war der Baum nämlich
in zwei ganz gleiche, senkrecht nebeneinander stehende und deshalb "Geschwistrig"
genannte Eichbaumklötze im Winkel auf- und abwärts drehbar eingelassen. Die Geschwistrig
hinwiederum waren unten in horizontal über dem Boden laufende, lange Eichenstämme
so verankert, daß sie bei dem furchtbaren Druck nicht nachgeben konnten.
Die Trotte ächzte und krachte unter der Spannung, als ob sie bersten wollte. Der Most
schoß in Strömen zu beiden Seiten des etwas geneigten Trottbettes herab und staute sich
zum kleinen See, wenn der Abfluß sich mit Beeren verstopfte. Bald füllte sich der große
Zuber, und man konnte nach Herzenslust den honigsüßen Most schlürfen. Klebten die
Finger von ihm zusammen, so war er besonders zuckerreich. Lief der Most nicht mehr
stark vom Trottbrett herab, so wurde die Spindel aufgedreht und der breitgedrückte
„Sack" an den vier Seiten außen „behauen", die Abfallstücke oben aufgeschichtet,
Flöcklinge und Mohren wieder aufgelegt, und der Tanz um den Spindelbaum vornen begann
aufs neue, bis zuletzt ein ganz trockener, hart gepreßter Tresterkuchen übrig blieb,
den man später zu Tresterwasser brannte.

Auf unserer Trotte wollten, weil sie so bequem war und so mächtig arbeitete, auch noch
viele andere, die keine Keltern hatten, ihre Trauben trotten, so daß mehrere Tage und
Nächte Hochbetrieb war und wir immer süßen Most trinken konnten. Einmal fraßen unsere
jungen „Gockler" von den schon gärenden Trestern und torkelten hierauf berauscht
im Hof herum zu unserer aller Gaudium.

Aus dem Trottzuber trug man den Most in die großen Gärfässer des Kellers. Wir hatten
solche von neun und zwölf Ohm (13,5 und 18 hl). In ihnen konnte der süße Most in der
Gärung sich austoben. Man hörte ihn darin kochen und zischen. War das Faß ziemlich
voll, so wollte er stürmisch auch oben zum Spundloch hinausschäumen. Er wurde nach
einigen Tagen der Gärung weißlich trüb und bitter; ich liebte ihn dann nicht mehr,
während die Großen ihn süß verschmähten, aber um so lieber tranken, wenn er „riß".
Allmählich klärt er sich zu hellem Wein und setzt die Hefe am Boden des Fasses ab.

Unsere Klostertrotte aber lebte gar nicht mehr. Beim Verkaufe des elterlichen Hauses
wurde dem Käufer zur Auflage gemacht, daß die Trotte im Hause bleiben müsse als Altertum
und um uns auch fernerhin ihre Dienste zu leihen. Schon nach zwei Jahren aber
verkaufte der neue Hausbesitzer das altehrwürdige Inventarstück. Der Trottbaum soll zu
Parkettbodenstücken zersägt worden sein. Auch er könnte wie das große Faß darob klagen
, daß er von der stolzen Höhe über dem Trottbett, allwo er Rebenblut auspressen
durfte, herniedersteigend, sich zerstückeln lassen mußte, um von Menschenfüßen sich
treten zu lassen und Staub zu schlucken.

O quae mutatio rerum!
Welch ander Loos, o jerum!"

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