Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
18., 19. und 20. Jahrgang.1998-2000
Seite: 163
(PDF, 40 MB)
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Helmut Reiner

Jüdische Ehrengäste

Leo Epstein besucht seine alte Heimat

Unter dem Druck der politischen Verhältnisse musste Leo Epstein 1936 seinen Geburtsort
Kenzingen verlassen. Dank der Initiative des Deutsch-Israelischen Arbeitskreises Südlicher
Oberrhein, dem persönlichen Einsatz von Annegrete Keßler und Reinhold Hämmerle, sowie
der offiziellen Einladung der Stadtverwaltung Kenzingen durfte Leo Epstein nach 63 Jahren
seine Heimat wiedersehen. Den Geburtstag seiner Vaterstadt konnte er als deren Ehrengast
mitfeiern. Es hat diesem vom Schicksal geschlagenen Manne offensichtlich wohlgetan. Stellvertretend
für alle ehemaligen emigrierten Juden der Stadt enthüllte Epstein an der Rückseite
des Rathauses eine Erinnerungstafel mit der Inschrift: "Die Stadt Kenzingen gedenkt ihrer gedemütigten
, entrechteten und verfolgten jüdischen Mitbürger". Abends bedankte sich Epstein
im Ratssaal für die Einladung und die gastfreundliche Aufnahme.

Bürgermeisterstellvertreter Rolf Schmidt begrüßte mit herzlichen Worten den Ehrengast und
seine Verwandten: den Sohn Eli mit Gattin, Alice Dreifuß-Goldstein, sowie seine Nichte Irene
Epstein de Cou und deren Ehemann. In einwandfreiem Deutsch (!) sprach Epstein weniger
von seiner schweren Zeit und den Umständen der Emigration, als von seinem Leben in der
neuen Welt, von seiner Wahlheimat Brasilien. Die Sprecher des Abends, Annegrete Keßler,
Robert Krais und Reinhold Hämmerle betonten den tiefen Sinn des Erinnerns. Der Rückblick
in die Vergangenheit möge uns davor bewahren, nicht einer oberflächlichen Verdrängung und
einer Geschichtslosigkeit zu verfallen. Dazu sollte die kleine Fotodokumentation im Saal beitragen
.

Die Veranstaltungen des Stadtfestes nahmen die jüdischen Gäste mit regem Interesse und lebhafter
Teilnahme wahr. Einen besonderen Akzent im abwechslungsreichen Besuchsprogramm
setzte die Teilnahme am Ökumenischen Festgottesdienstes in der Stadtkirche St. Laurentius.
Der evangelische Pfarrer, Hanns-Heinrich Schneider, legte seiner Predigt den Jeremia-Text
29,1,4-7 zu Grunde: "Suchet der Stadt Bestes, betet für sie zum Herrn; denn wenn's ihr gut
geht, so wird es euch auch wohl ergehen ".

Der Begegnungs-Nachmittag im Ökumenischen Altenwerk verdient festgehalten zu werden.
Nicht nur der gut kommentierte Diavortrag "Kenzingen vor 50 Jahren" fand eine zustimmende
Aufnahme. Es waren vornehmlich die persönlichen Gesprächskontakte, die eine lockere
Atmosphäre aufkommen ließen. Mit Aufmerksamkeit nahmen die Senioren die Schilderungen
und Ereignisse aus dem Leben des Erzählers zur Kenntnis, die der vitale Mann zum Besten
gab.

Epstein erfüllt heute noch berufliche Aufgaben. Als Initiator und Betreuer eines jüdischen Altenheimes
in Rio de Janeiro kennt er die Sorgen und Nöte alter Menschen.

Pfarrer Franz Kiehnle, der mit Leo Epstein seit Jugendtagen bekannt ist, machte sich zum
Sprecher der Gastgeber. Es war mehr als eine versöhnliche Geste, es war der rechte Ton zu
dieser Stunde, als er das "Schema Israel" sprach, jenes Glaubensbekenntnis, in der deutschen
Fassung von Martin Buber und Franz Rosenzweig, das von frommen Juden täglich gebetet
wird, deren erster Vers lautet:

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