Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
18., 19. und 20. Jahrgang.1998-2000
Seite: 172
(PDF, 40 MB)
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Hier mussten Einzelne ein schweres Schicksal erdulden, Es gab auch Jahre, in denen alle
Kenzinger ein schweres Los zu tragen hatten. Eine der grausamsten Zeiten erlebte Kenzingen
während des Dreißigjährigen Krieges. Von 1632 bis 1634 war die Stadt schwedisch besetzt.
Am 15. Oktober 1638 brannte Herzog Bernhard von Weimar die Stadt nieder. Von 1640 bis
1644 lagen französische Truppen in der Stadt. Man kann sich die damalige Zeit nicht schrecklich
genug vorstellen. Schon die reine Statistik legt vom Grausen und Schrecken beredendes
Zeugnis ab: 80 % der Kenzinger hatten diesen Krieg nicht überlebt.

Von äußeren Angriffen weitgehend verschont, breiteten sich in Kenzingen im 17. und 18.
Jahrhundert jedoch immer wieder innere Unruhen aus. Hierbei dienten die Stuben in den
Stadttoren als Ort für konspirative Treffen. 1698 herrschte große Aufregung: 81 Bürger protestierten
mit einer Unterschriftenaktion gegen den damaligen Schultheißen. Sie verlangten seinen
Rücktritt. Ein weiteres Beispiel: 1776 hatte sich der damalige Bürgermeister zur Bestreitung
seiner privaten Geldgeschäfte 1.000 Gulden aus der Stadtkasse geliehen. Da er diesen
Betrag aber nicht zurückzahlen konnte, mußte sich die Stadt verschulden, um überhaupt die
Steuern bezahlen zu können. Die Mißwirtschaft eines einzelnen Amtsträgers belastete damit
die gesamte Kommune.

Die nach dem Dreißigjährigen Krieg stark dezimierte Stadt erholte sich. Um 1700 gab es hier
149 Haushalte. Dies entsprach einer Einwohnerzahl von 600 bis 900 Personen. 1767 standen
schon 200 Häuser in der Stadt. Knapp 20 Jahre später waren es 334 Häuser, in denen damals
exakt 1715 Menschen wohnten. 917 davon waren Frauen. Das Leben waren für einen Großteil
der Bevölkerung sehr hart, gab es doch damals kein Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe. 1776
klagten die Kenzinger Metzger über Absatzschwierigkeiten, weil die Armut einem Drittel der
Bürger Fleischgenuß verbiete. 1790 konnten drei Viertel der Kenzinger ihre Steuern nicht entrichten
und mußten sich angesichts eines massiven Preisanstiegs zur Sicherung ihres Lebensunterhalts
verschulden. Daher verwundert es nicht, wenn der Alkoholismus im frühneuzeitlichen
Kenzingen ein großes Problem war. In der Stadtordnung gab es entsprechende Vorschriften
: "Alle, die sich mit Wein überladen und voll werden, daß sie nicht wissen, was sie
reden oder tun, und nicht mehr gehen können, werden bei Wasser und Brot in das Gefängnis
gelegt. Solange, bis der Rat die Strafe aufliebt".

Für uns heute lebende Menschen, die wir in einer zum Teil sterilen, klinisch reinen Welt aufwachsen
, sind die hygienischen Verhältnisse der damaligen Zeit kaum vorstellbar: Im Stadtgraben
tummelten sich die Ferkel, deren Gestank sich mit dem Verwesungsgeruch von totem
Vieh mischte.

Ob man wohl 1770 die Gräben gereinigt hatte? Damals durchquerte Marie Antoinette, österreichische
Kaisertochter, auf ihrem Weg zur Vermählung mit dem letzten französischen König
Ludwig XVI. die Stadt. Kenzingen fungiert als Pferdewechselstation. Für den Troß mit
circa 250 Personen waren bei jedem Wechsel 350 frische Pferde bereitzuhalten. Die Kenzinger
hatten in Festtagskleidung Spalier zu stehen.

1806 endete die österreichische Zeit. Kenzingen wurde, wie auch Bombach, Hecklingen und
Nordweil, zu badischen Orten. Das neue Zeitalter begann mit einem großen Unglück: Am
Sonntag, den 1. Mai 1814, gegen 13.00 Uhr brach im Stall der Poststation ein Feuer aus. Innerhalb
von zwei Stunden brannten 79 Anwesen. Zwei Tage später entstand ein neuer Brandherd.
Beide Feuer zerstörten insgesamt 88 Anwesen. 292 Personen verloren ihren Besitz. Nur durch
eine Brandunterstützungskasse konnte die größte Not gelindert werden. Doch schnell ging man
wieder zur Tagesordnung über. 1827 mußte der Rat feststellen, daß das Löschwesen völlig verwahrlost
sei. Glücklicherweise blieb die Stadt von weiteren Feuersbrünsten verschont.

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