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für die Jahrmarktstage galt, an letzteren den Stadtzoll ebenfalls auszusetzen"2. Offenbar hatte
die Strategie Erfolg, und auswärtige Kaufleute aus der Nachbarschaft begannen sich für die
Kenzinger Jahrmärkte zu interessieren. Denn im darauffolgenden Jahr wurde von der Stadt
„H[errn]. Melicher [Melchior] litschgin [Litschgi], Handels man in Endingen, [...] der vßerste
[äußerste] bogen gegen dem raths haus zue Einem Jahrmarkh[ts] stand vmb Ein Cronen Jahr
gellt neben Jedes mahl gewohnlichem Standt gellt verwilliget"1". Umgekehrt besuchten die
Kenzinger ihrerseits selbstverständlich ebenso die Märkte der Umgebung. Ein in verschiedener
Hinsicht aufschlussreiches Beispiel bietet ein Protokolleintrag vom November 1667. Darin
wurde Durs Senn, 1659 ins Hintersassenrecht der Stadt aufgenommen, zu einem Pfund Pfennigen
Herrschafts strafe verurteilt, weil er „im Hechlen [der Flachs- oder Hanffasern] gar
schlechte arbaith gemacht vnd dardurch der gantzen gemaindt [Kenzingen] auff offnem Malterdinger
Marckht Iren guotten ruohm werchs [Werges] halber zimblicher maßen in gefahr
gestellt" hatte"4.
Höchst interessant ist der oben angeführte „äußerste Bogen" gegen das Rathaus. Der Bogen, in
dem Kaufmann Litschgi seinen Jahrmarktsstand aufschlug, befand sich also offensichtlich in
einem Gebäude neben dem Rathaus. Letzteres war bei der Zerstörung der Stadt 1638 so stark
in Mitleidenschaft gezogen worden, dass es als Tagungsort des Rates offensichtlich nicht mehr
genutzt werden konnte"5. Denn vor seinem Wiederaufbau wurden die Ratssitzungen - soweit
der jeweilige Sitzungsort in den Ratsprotokollen der 1650er und 1660er Jahre überhaupt vermerkt
ist - mit Abstand am häufigsten „auff der Lauben " abgehalten; ein paarmal tagte der Rat
„auff dem Metzger Hoff", also auf dem Anwesen der Metzgerzunft, und einmal „im Amtshof
"Ub. Wo nun stand diese Laube? In der Ratsgenehmigung zum Bau einer Wasserleitung zum
Franziskanerkloster war die Rede gewesen vom „negsten bronnen bey der lauben". Mit diesem
Brunnen kann nach Lage der Dinge nur der Stockbrunnen an der zentralen Straßenkreuzung
der Stadt gemeint gewesen sein, denn nur bei diesem Standort ergibt die Wortwahl
„negsten" [nächsten, nähesten] einen Sinn. An dieser Kreuzung stand also auch die Laube.
Diese Laube war nicht nur häufiger Tagungsort des Stadtregiments, sondern diente offensichtlich
auch als Markt- und Verkaufshalle, was nicht nur die Verpachtung des nördlichsten Lau-
benbogens als Jahrmarksstand an den Handelsmann Litschgi beweist, sondern auch die wiederholte
Nennung der Laube in den Ratsprotokollen als Verkaufsort der städtischen Handwerker,
so etwa 1668, als der Rat Strafen für diejenigen Bäcker in der Stadt androhte, die ihr Brot nicht
in der Laube anbieten würden"7. Die Lokalisierung der Laube an zentraler Stelle der Stadt
deckt sich mit einem Quellenbeleg von 1777, in dem eine „Laube oder Kaufhaus mitten in der
Stadt" genannt wird"8. In diesem Beleg wird auch ein oberes Stockwerk genannt, das damals
das Arrestlokal und die Wohnung des Gefängniswärters beherbergte. Mehr als hundert Jahre
früher, im hier untersuchten Zeitraum, befanden sich dort die beheizbaren Räume, die vor dem
Wiederaufbau des Rathauses häufig als Tagungsort des Stadtregiments dienten.
Eindrücklich bestätigt und präzisiert wird diese Lokalisierung durch das Protokoll über die
Erb- und Landeshuldigung der Untertanen in der Stadt Kenzingen und der Herrschaft Kürn-
burg im Juli 1664. Demnach wurde „die Bürgerschafft vnder die lauben zue der Erbhuldigung
gewysen ". Dort stand „vnder der lauben hinaus Werths gegen dem bronen über zwerch " ein
mit einem Tuch bedecktes Tischlein mit drei Sesseln für die zwei Regierungskommissare und
ihren Sekretär; „der rath vndt überige bürgerschafft wie auch die vögte [der zur Herrschaft
Kürnburg gehörenden Dörfer] vndt überige herrschaffts vnderthanen Stuondten vnder der lauben
gegen dem thor hinab werths [also ist das nördliche, „niedere" Stadttor gemeint] vndt, was
nicht völlig hinein könden, in vndt vmb die lauben herumb. "I2° Nach dieser Beschreibung kann
die Laube also nur beim oberen Stockbrunnen an der nordöstlichen Ecke der zentralen Straßenkreuzung
Hauptstraße - Brotstraße gestanden haben und muss ein von mindestens drei Seiten
frei zugängliches Gebäude gewesen sein, denn sonst hätten die Untertanen sich nicht um
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