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II. Petit entracte
Briefe und Tagebücher
Tagebuch führt Jose bereits seit Kriegsbeginn: Die erste veröffentlichte Notiz stammt vom 19.
August 1939. Diese und die sich anschließenden Einträge enthalten Kindheitserinnerungen, sie
beschreiben Joses Jugend und erste Liebe, den Krieg und seine Zeit als Fremdarbeiter in
Deutschland. Einschließlich des Briefwechsels, den er mit seinen Eltern von Köndringen aus
führte, veröffentlichte Cabanis all diese Schriftstücke in drei Büchern (19):
Les profondes annees, journal 1939-1945 wurde 1976 bei Gallimard aufgelegt und enthält in
Tagebuchform Aufzeichnungen zu den Kriegsjahren 1939/40 und 1944/45. Wörtlich ins Deutsche
übertragen, könnte der Titel etwa mit „Die tiefen Jahre", besser vielleicht im figurativen
Sinne mit „Die wesentlichen Jahre" übersetzt werden. Cabanis selbst verwendet gerne den
Untertitel „Tagebuch"5", wenn er sich darauf bezieht. Die Kapitel „1944" und „1945" des Buches
befassen sich mit seinen Erlebnissen in Kenzingen.
Sozusagen als Einleitung zu diesem Teil, zur Kenzinger Zeit von Les profondes annees, kann
Lettres de la Foret-Noire 1943-1998 (Briefe aus dem Schwarzwald) gelten, die im Jahre 2000
beim gleichen Verlag erschienene Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen Cabanis und
seinen Eltern aus den Monaten Juli bis Oktober 1943, welche der Autor in Köndringen verbrachte
.
Die in Les profondes annees nicht enthaltenen Tagebuchaufzeichnungen der Jahre 1941 bis
1943 schließlich erschienen 1980 als Petit entracte ä la guerre, journal 1940-1943, ebenfalls
bei Gallimard. Schon der Titel „Kurze Atempause im Krieg" deutet an, daß Cabanis diesen
Jahren nicht dieselbe Bedeutung zumaß wie den Jahren 1939/40 und besonders 1944/45, von
denen er schreibt: Von September 1939 bis Juni 40 hatte der Krieg zu einem plötzlichen Bruch
geführt, zu einer Katastrophe: Mein Land war geschlagen, mein Bruder gefallen. Zu sagen,
daß mich dies bewegte und erschütterte, wäre untertrieben: ich war am Boden zerstört. Im Juli
43, nachdem ich vergeblich in einer Bleimine, in der ich eine Lore schob, Unterschlupf gesucht
hatte, sollte ich in einem langen, langsamen Konvoi den Rhein überqueren: Ich trat wirklich
und unwiderruflich in den Krieg ein. Zwischen den beiden Ereignissen lag diese Unterbrechung
, diese Atempause [französisch: „entracte"], gleich der bei einem Drama (oder einer
Komödie), wo die Handlung innehält und der Zuschauer zur Bar oder eine Zigarette rauchen
geht. [...] Man nennt dies sich entspannen.^
Allen drei Werken gemeinsam ist das verbindende Element der Kommentare, die der Autor
zwischen den Jahren 1974 und 1999 seinen Eintragungen und Briefen vor deren Veröffentlichung
beifügte. In ihnen will er nach fünfunddreißig Jahren meine Lebensgeschichte
erzählen, bevor sie vergessen ist.52 Und so begegnen sich in den Kommentaren, wie Cabanis es
in einem Bild in Les profondes annees beschreibt, der Schüler oder Student und der erfahrene
Mann: Und der, der ich war [der junge Jose], würde mich [den reifen Cabanis] für sehr alt halten
: weiß das verbleibende Haar, Falten. Aber ich bemühe mich überzeugt zu sein, daß er
[Jose] schon etwas verblüfft wäre über die Bücher, die ich [Cabanis] geschrieben habe. Und
schließlich bin ich es auch - auf gewisse Weise. Ich hätte, ohne zu mogeln, alles mir Mögliche
getan. Ich würde mich vor diesem 18-jährigen Jungen, der ich war, nicht schämen. Vielleicht
ist es das, was ein angenehmes Leben ausmacht."
50 Im französischen Original: journal.
" Cabanis, Petit entracte, S. 103.
52 Cabanis, Les profondes annees, S. 10.
53 Ebd., S. 175.
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