http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2005-24-25/0103
Nachwort
Ein Schulprojekt am Gymnasium Kenzingen über den Aufenthalt des Fremdarbeiters Jose
Cabanis in Kenzingen war der Anstoß. Herr Anton Wild, ehemaliger Leiter der Schule, war
von seiner Sekretärin, Frau Hanni Moser, auf diese Begebenheit hingewiesen worden und hatte
sie als Anregung und Thema für eine Arbeitsgemeinschaft besonders befähigter Schüler an
mich weitergegeben. Aber noch bevor die Arbeit richtig begonnen hatte, musste sie wegen
Krankheit abgebrochen werden. Mehrere Gründe und Ziele reizten mich, sie später wieder
aufzunehmen und alleine auszuführen.
Ich hielt es der Mühe wert, ein Ereignis, durch welches Kenzingen und seine Umgebung in die
französische Literatur eingegangen waren, vor dem Vergessen zu bewahren, wenn nicht sogar
erst bekannt zu machen - besonders jüngeren Leuten. Um Neugierde zu wecken und die Lektüre
zu erleichtern, hielt ich es für angebracht, die vorhandenen, auf Französisch geschriebenen
und in drei Schriften veröffentlichten Tagebucheinträge zusammenfassend durch
Auswählen und Umstellen in Erzählform zu bringen und darin wichtige Passagen der Originale
inhaltlich unverändert, jedoch in deutscher Übersetzung, einzubetten.
Dadurch erhalten Interessierte aus dem Kenzinger Raum einen leichteren Zugang zu diesen
lokalgeschichtlichen Zeugnissen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Sie können lesen, wie
der Krieg in ihrer Heimat erfahren wurde, und für die Jugend mag es besonders interessant
sein, diese Informationen aus der Sicht eines Altersgenossen zu erhalten. Dabei rückt die Stellung
von Zwangsarbeitern im Feindesland in den Mittelpunkt des Interesses und damit die
Diskrepanz zwischen politischer Indoktrination und menschlicher Reaktion. Die Überwindung
des Feindbildes durch natürliche Freundlichkeit und gegenseitige Achtung tritt in der
Geschichte des jungen Franzosen in Kenzingen in gelegentlich ironisierender Deutlichkeit
zutage.
Im Verlauf meiner Beschäftigung mit Cabanis wurden jene Fragen immer wichtiger, die über
die räumlich und zeitlich festgelegten Ereignisse hinausgingen: Wie verhält sich ein junger
Mensch bei seiner ersten Begegnung mit einer zunächst feindlichen Umgebung und wie
reagiert diese auf ihn? Wie vollziehen sich Trennung und Lösung vom Elternhaus? Welche
Einflüsse haben die dem Heranwachsenden zustoßenden Ereignisse auf sein späteres Leben?
Schließlich erschloss sich mir durch ergänzende Lektüre in Cabanis' Werken das faszinierende
Bild eines Menschen von nahezu faustischer Zwiespältigkeit und Widersprüchlichkeit, von
welcher ihn nichts erlösen konnte, und die ihn bereits als Jugendlichen quälte. Das ewig
Menschliche tritt zutage; es kündigt sich an in Cabanis' Tagebüchern, es beherrscht sein
späteres Werk.
Diese Faszination, die von der Persönlichkeit Cabanis' ausgeht, war es schließlich, die mich
zur Arbeit über seine Kenzinger Zeit ermutigte. Ich habe diese Schrift mit viel Freude verfasst
und möchte mich daher bei all jenen bedanken, die mir geholfen haben, sie zu verwirklichen:
Vor allem bei Herrn Anton Wild, dem eigentlichen Initiator, den Zeitzeugen, die mir bereitwillig
und geduldig Auskunft erteilten, den Lektoren für ihre gewissenhafte, unermüdliche
Arbeit, der Familie Andre Cabanis und allen weiteren Helfern, ohne die diese Schrift nicht entstanden
wäre. Sie sind bei den Quellenangaben aufgeführt, soweit sie nicht anonym bleiben
wollten.
19. August 2005 Wolfgang Steinhart
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