Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
24. und 25. Jahrgang.2004/2005
Seite: 112
(PDF, 30 MB)
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mit ihren Heimatgebieten nur noch Postkarten mit Antwort"27" - und zwar lediglich zwei im
Monat - benutzen. Briefe mit schriftlichen Mitteilungen wurden nicht mehr angenommen.
Für „Zivilarbeiter polnischen Volkstums" (kurz „polnische Zivilarbeiter") galten die strengsten
Vorschriften und Einschränkungen. Sie waren polnische Kriegsgefangene, die für den Einsatz
in der Landwirtschaft freigestellt worden waren. Sie waren verpflichtet, als Kennzeichen den
Buchstaben P auf der Kleidung zu tragen und die folgenden Richtlinien streng zu beachten:
„Aufgrund dieser drei genannten Verordnungen ist den Zivilarbeitern und -arbeiterinnen polnischen
Volkstums verboten:

a) Der Ausgang in den Stunden von 21 bis 5 Uhr für die Zeit vom 1. April bis 30. September
und in den Stunden von 20 bis 6 Uhr für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. März,

b) die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel,

c) der Besuch deutscher Veranstaltungen kultureller, kirchlicher und geselliger Art,

d) der Besuch von Gaststätten,

e) der Besitz von Fahrrädern,

0 das Verlassen des Arbeitsortes - soweit es nicht durch den Arbeitseinsatz bedingt ist - ohne

Genehmigung der örtlichen Polizeibehörde,
g) der Besitz von Photoapparaten."271

Wenn solche behördlichen Anordnungen auch nicht unbedingt und unmittelbar französische
Fremdarbeiter betrafen, für die weit weniger und nicht so strenge Auflagen galten, sind sie dennoch
gleichermaßen für deren Situation kennzeichnend, denn sie wirkten sich in ähnlicher
Weise auf die Gesamtheit der Zivilarbeiter eines Ortes aus. Sie legten eine allgemeine Tendenz
im Umgang mit den Fremden fest, weil die heimische Bevölkerung sich im Alltagsgeschäft
nicht oder kaum um nationale oder von einer Behörde geschaffene Unterschiede kümmerte:
Gleichgültig ob der Fremde nun Ukrainer oder Belgier, Fremdarbeiter oder Ostarbeiter war,
eine spezifische Norm wurde in ähnlicher Weise auf alle und alles übertragen. Dass diese Tendenz
zur Gleichbehandlung aller Zivilarbeiter bestand, ergibt sich auch aus der Verordnung des
Landratsamtes vom 12. Juli 1941 über die „Unterbringung der fremdstämmigen Arbeitskräfte",
welche lautet: „Es ist mit allen Mitteln dafür Sorge zu tragen, dass die im Bezirk beschäftigten
Polen und andere eingesetzten ausländischen Arbeiter aus den besetzten Gebieten im Westen
und Norden des Reiches, also Arbeiter aus Frankreich, Belgien, der Niederlande, Norwegen
und Dänemark, von der Familie des Arbeitgebers getrennt untergebracht werden. Die bisher
teilweise übliche Einzelunterbringung im Hause des Arbeitgebers ist verfehlt."272 Hier wird die
grundsätzliche, scharfe Trennung und Unterbringung in Lagern für alle Fremden ohne Rücksicht
auf Nation oder Stand verfügt.

Unter der Ausgrenzung hatte also Cabanis ebenso wie alle ausländischen Arbeiter zu leiden.
Der Staat brauchte diese Isolation, denn in der Begegnung der Individuen bilden sich menschliche
Beziehungen über nationale Grenzen hinweg und Feindbilder werden zerstört. Dass dies
bereits geschehen war, dass sich die Menschen trotz aller behördlich verordneten Feindseligkeit
näher gekommen waren, ergibt sich allein schon aus der Tatsache, daß Appelle zur
Distanz immer wieder erlassen werden mussten, und aus den amtlichen Beschwerden über
deren Nichtbefolgung, z.B.: „Durch die lange Anwesenheit wäre ein Austausch notwendig, da
das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und Gefangene(n) mit der Zeit zu kameradschaftlich
wird"271 oder aus dem Rundbrief des Kreisobmanns an die Bürgermeister des Kreises
Emmendingen: „Unverantwortlicherweise schenken nicht nur die Wirte, sondern auch die

:7" Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Karlsruhe, Karlsruhe 28.2.1943. Gemeindearchiv Teningen,
Verwaltungssachen, Spezialia, IX Militär- und Kriegssachen, Akten G, Hefte 702.

271 Der Landrat, Emmendingen, 6.3.1942, Behandlung der im Reich eingesetzten Zivilarbeiter pol. Volkstums
. Gemeindearchiv Teningen, ebd.

212 Ebd.

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