Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
24. und 25. Jahrgang.2004/2005
Seite: 114
(PDF, 30 MB)
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einer eisernen Eisenbahnbrücke, über die ein nie endender Güterzug hämmert. Ein- oder
zweimal im Monat hatte man frei und stieg ab ins Dorf. Ansonsten war man unter Tage und
kam nur zum Essen und Schlafen herauf. Jose hatte das Glück, schon nach einer Woche von
einer deutschen Kontrolle aufgespürt zu werden. Auch wenn er nun nach Deutschland fahren
musste, schied er ohne Trauer von Seintein.

11 Unterkunft und Arbeitsstätte

Diese etwas verworrene Anschrift sorgte zunächst für Unsicherheit bei Joses Eltern, die sich
zu Recht fragten, wo ihr Sohn nun eigentlich wohne. Seine Unterkunft hatte er in der Sport-
und Winzerhalle in Köndringen. Sie steht heute noch fast unverändert. Im Eingangsbereich
befand sich damals ein gewaltiger Eisenofen, um den Raum zu heizen. Gegenüber, auf der
Bühne, wo ein weiterer, kleiner Ofen stand, hatten sich die Wärter eingerichtet. Direkt neben
der Halle, an der Köndringer Straße, standen (und stehen auch heute noch mit anderem Namen)
die Gebäude der Frako-Kondensatoren und Apparatebau. Diese Fabrik aber gehörte bereits zu
Teningen. Vom Schlaf- zum Arbeitsplatz brauchte Jose also nur einige Schritte zu gehen.
In Teninger Werken arbeiteten damals Polen, Russen, Ukrainer, Italiener und Franzosen (einschließlich
Elsässern). Dies geht aus einer in der Chronik Teningen, ein Heimatbuch, S. 425
abgedruckten Statistik hervor, die auf einer Urkunde des Gemeindearchivs (Nr. 710) basiert.
Leider ist diese Liste undatiert, so dass sich keine Rückschlüsse auf die Anzahl der Arbeiter zu
Cabanis' Zeit ziehen lassen. Aufgrund einer Erhebung nach dem 21. Januar 1946, ebenfalls auf
Seite 425 der Chronik wiedergegeben, wohnten im August 1943 35 Franzosen, die alle in der
Frako arbeiteten, in der Winzerhalle. Einer von ihnen muss Jose Cabanis gewesen sein.

12 Das Gasthaus war der ehemalige „Rebstock" in Köndringen. Er wurde bis in die Mitte der
50er Jahre von Frau Frieda Krayer (liebevoll „Rebstockmütterle" genannt) betrieben, unterstützt
von ihrer Enkelin Aline Mößner, die abends in der Gaststätte bediente.

13 Deutschkenntnisse

Während nur wenige Deutsche Französisch beherrschten, da es damals in der Schule nicht
unterrichtet wurde, sprachen die Studenten aus Toulouse nach Meinung der meisten Zeitzeugen
überwiegend gutes bis sehr gutes Deutsch. Cabanis selbst beurteilt seine Sprachfähigkeit
anfangs kritischer: Ich radebreche auf Deutsch11* oder gar bei meiner Ankunft kannte ich kein
einziges Wort.219 Offensichtlich hatten er und seine Kameraden im Schulunterricht Grundkenntnisse
erworben, die sie nach kurzer Eingewöhnung anwandten und vervollständigten, so dass
die Sprachbeherrschung gute Fortschritte machte und sich im Laufe der Zeit sogar gelegentlich
südbadischer Dialekt einschlich. „Was hesch gsait?" zitiert der Zeitzeuge Heinz Thaller als
einen von Jose gerne verwendeten Satz. In seinen späteren Tagebucheinträgen erwähnt der
junge Franzose den sprachlichen Aspekt seines Deutschlandaufenthaltes nicht weiter, was als
Beweis dafür gelten kann, dass die Verständigung kein Problem für ihn bedeutete. Dies
bestätigt den Eindruck, den die Zeitzeugen von Jose hatten, der bei allen als kluger, sehr gut
Deutsch sprechender Student galt.

14 Jose, sein einziges Kind

Jose Cabanis war das einzige Kind aus der zweiten Ehe seiner Mutter, der Adligen Francoise
de Bellomayre (1884-1947), mit Gaston Cabanis (1876-1953), einem Rentier, der von seinem
Besitz lebte. Mit ihrem ersten Ehemann, einem im Ersten Weltkrieg auf dem Chemin des
Dames (hart umkämpfte Höhenstraße südlich von Laon im Departement Aisne) gefallenen
Berufsoffizier, hatte sie vier Kinder gehabt, mit denen Jose seine Kindheit verbrachte, und die

Cabanis, Lettres, S. 44.
Ebd., S. 19.

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