Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
26. und 27. Jahrgang.2006/2007
Seite: 79
(PDF, 62 MB)
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„Ketzeren" bringt, dem Wirt zum Goldenen Löwen ein Denkmal: „Zeitlebens wolle er rühmen
, was ihm von keinem Geistlichen der ganzen Stadt Lyon geschehen sei, daß ihm nämlich
so große Lieb und Guethaten erwisen worden von einem, der auch so gar nit meiner Religion

seye."

In vornehmer Gesellschaft auf der Loire

Am Ausgang von Lyon weiß Burger an einer Wegkreuzung nicht weiter. Warum er so „zwei-
felhaftig" dastehe, fragt plötzlich ein Unbekannter. Burger stellt sich vor als „armer Vertribner
aus Teutschland", der die Landessprache nicht kenne und nicht weiter wisse. Auf Fragen
erfährt er: Geradeaus komme man nach Marseille, links nach Turin, rechts nach Paris. Er entscheidet
sich für Paris und lässt sich größere Orte auf dem Weg dahin nennen; die vermerkt er
auf einem „Schreibtäfelin", dessen Notizen möglicherweise die Grundlage für ein Tagebuch
bildeten. Über Tarare erreiche er Roanne; von dort aus solle er bis Orleans auf der Loire fahren
. Damit ist der Fremde verschwunden; Burger meint, „es möchte vileicht mein Schutzengel
gewesen sein ".

Nach manchen Ungelegenheiten kann er sich in Roanne einer bunt zusammengewürfelten
„ Companey weltlicher und geistlicher Herren " anschließen: drei vornehme Engländer, auf der
Rückfahrt von Rom, ein niederländischer Doktor, zwei aus Paris stammende, wie Kapuziner
gekleidete Augustinermönche („aber schwarz und ohne Schue und Strimpff). Diese und weitere
Franzosen haben sich schon mit Proviant für die achttägige Reise nach Orleans eingedeckt.
Die Engländer („ohne Zweifel heimblich Catholisch") versorgen Burger mit Speis und Trank,
sie bezahlen für ihn die Schiffspassage und die Herberge, die man jeweils abends an Land aufsucht
.

Im 17. Jahrhundert reist man also auf der Loire nur tagsüber; nicht anders war Bonifatius 754
rheinabwärts nach Friesland gefahren. Burger hält die Einzelheit vielleicht deshalb fest, weil er
später auf einem Postschiff donauabwärts auch nachts unterwegs war. Talabwärts kam man bis
ins 19. Jahrhundert auf einem Schiff bequemer und (meist) schneller voran als zu Fuß oder auf
einem Reittier, von den Annehmlichkeiten der Unterhaltung an Bord zu schweigen.

Ein leicht hingeworfenes Wort wäre Burger beinah verhängnisvoll geworden: Eines Tages will
man wissen, warum er so allein durch Frankreich ziehe. Er gibt redlich Antwort. - Wer ihn denn
vertrieben habe? - Der König von Schweden, der ,, alle Clöster und Kürchen ausraub und grausam
mit den Geistlichen umbgange". Im Eifer lässt Burger sich hinreißen: „ und der König in
Franckreich hab ihn ins Römisch Reich heraus gefordert, und helff ihm mit Gelt und Volck. "

Empört drohen die Franzosen, Burger solle dieses Wort noch „saur gnueg" werden. Bei nächster
Gelegenheit nehmen die Engländer den Eingeschüchterten beiseite: Er habe „ übel geredet";
denn jeder, „geistlich oder weltlich, frembd oder inheimisch", der auch nur ein einziges Wort
gegen den König oder den Kardinal Richelieu rede, werde „ohne Urteil und Recht aufge-
henckt"! Wenn man abends an Land gehe, solle er sich „aus dem Staub machen", da die Franzosen
ihn sonst „der Oberkeit dargeben" würden. Burger folgt dem Rat, setzt sich unbemerkt
von der Gruppe ab und erreicht am nächsten Tag zu Fuß Orleans.

Richelieu hatte in wenigen Jahren die Macht der französischen Krone gestärkt und sogar Männer
aus höchstem Adel vor Gericht stellen und hinrichten lassen. Angesichts solch demonstrativen
Auftrumpfens des frühabsolutistischen Staates erscheint die von Burger geschilderte
Episode glaubwürdig.

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