Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
26. und 27. Jahrgang.2006/2007
Seite: 85
(PDF, 62 MB)
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Lieber ein Hund in Teutschland als ein Religiös in Frankreich

Um den harten Gesamteindruck Burgers zu verstehen, seien abschließend zwei Erfahrungen
erwähnt. In Paris hatte er, wie üblich, seine Empfehlungen dem Leiter des dortigen Zisterzienserkollegiums
vorlegen lassen. Als er zu dessen Zimmer habe hinaufsteigen wollen, sei
ihm der „Provisor" schon „mit grimmigen Worten" entgegengetreten: „Wir teütsche Hundt
vagieren nur herumb, ander Leüthen das Ihrig abzufressen. " Mit der Drohung, Burger solle
sich „hinweg drohen" oder er stoße ihn die Stiege hinab, habe der Provisor ihm die Schreiben
zugeworfen. Burger, der gerade mit knapper Not einem Halsabschneider vor den Toren der
Stadt entronnen war, wandte sich traurig, hungrig und durstig ab; ein Ordensbruder nahm sich
seiner an, beköstigte und beherbergte ihn und ließ ihm Sehenswürdigkeiten in Paris zeigen.

Auf dem Rückweg in die Schweiz kehrte Burger im Kloster Mont Sainte Marie ein. Einmal
mehr erkundigt man sich nach seinen Eindrücken. Burger schweigt zunächst; dann lässt er sich
versichern, dass ihm „nichts Übels" geschehe, wenn er die Wahrheit sage. „Da sagte ich: ich
wolt lieber ein Hund in Teutschland sein als ein Religiös in Frankreich, also hatt es mir gefallen
. " Mit den Worten „o du bestial" seien seine französischen Gesprächspartner wutschnaubend
über ihn hergefallen und hätten gefordert, ihn einzusperren! Doch habe der Abt des Klosters
ihm - auf Fürsprache des Abtes Christoph von Maulbronn, der sich seinerzeit als Exulant
hier aufgehalten habe - am nächsten Morgen die Flucht ermöglicht.

Ein kritischer Reisender

Burger erscheint als ein Mann, der aufmerksam beobachtet und seine Meinung (meist) offen
sagt. In seinem Urteil unterscheidet er zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen
Kloster und Kloster, zwischen Licht und Schatten innerhalb eines Konventes. Wenn insgesamt
mehr zu kritisieren als zu loben war, dann dürfte das mehrere Gründe haben.

Burgers Erinnerungen sind von Demütigungen überlagert: Monatelang musste er sich durch
ein oft abweisendes Land mit einer ihm fremden Sprache betteln; selbst Angehörige seines
eigenen Ordens ließen ihn spüren, dass er unwillkommen war.

Körperliche und seelische Strapazen trafen einen jungen Mann, der sich gelegentlich darüber
klar wurde, dass es „doch annehmblicher und süeßer in seim eignen Nästlin als in einem
frembden zue wohnen" sei; das Eingeständnis begründete Burger damit, dass „die Teütschen
undt Franzosen nie so gar gueten Magen gegen einander tragen".

Man griffe zu kurz, wollte man Frankreich abträgliche Äußerungen nur mit dem Heimweh
eines jungen Menschen erklären, der mit Übertreibungen das Unterhaltungsbedürfnis seiner
Leser befriedigen wollte. 1672 hatte Ludwig XIV. den Niederländischen Krieg vom Zaun
gebrochen und durch rücksichtsloses Vorgehen eine antifranzösische publizistische Kampagne
in Deutschland ausgelöst; davon dürfte Burger, als er zwei Jahre später mit der Aufzeichnung
seiner Memoiren begann, mehr beeinflusst worden sein, als ihm bewusst war.

In französischen Klöstern sieht Burger Streben nach und Erfolge von Reformen. Er erkennt
Ursachen für den Niedergang: Hier richtet ein Kommendatarabt Wirtschaft und Disziplin eines
Klosters zugrunde, dort residiert der Abt fern von seinem Konvent, andernorts hat sich die
Gemeinschaft mehr oder weniger aufgelöst. Die Bildung vieler Mönche und Priester lässt zu
wünschen übrig. Ein Bischof ist bereit, ohne ernsthafte Prüfung einen Unbekannten, der vielleicht
nicht einmal das erforderliche Mindestalter erreicht hat, zu weihen. Burger erscheint die

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