Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
26. und 27. Jahrgang.2006/2007
Seite: 122
(PDF, 62 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2007-26-27/0124
Die geistlichen Herrschaften und die Säkularisation
in Südwestdeutschland

Kurt Andermann

Im Gefolge der Französischen Revolution, des näheren in napoleonischer Zeit, erlebte
Deutschland einen tiefgreifenden und alle Bereiche des staatlichen und kulturellen Lebens
erfassenden Umbruch, wie es ihn davor nicht kannte und auch danach wohl nicht wieder erlebte
: Innerhalb weniger Jahre vollzog sich unter dem militärischen und diplomatischen Druck
Napoleon Bonapartes die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, eines
Staatsgebildes, dessen Verfassung sich im Laufe rund eines Jahrtausends herausgebildet und
trotz vieler Kriege und Krisen bewährt hatte. Wiewohl diese Verfassung von einem Zeitgenossen
nicht ganz zu Unrecht als Monstrum charakterisiert wurde, war sie eine ausbalancierte
Friedensordnung, in deren Gefüge neben den Großen wie Österreich, Brandenburg-Preußen
oder Bayern auch schier unzählige Kleine vom Schlage der Prälaten, Grafen und Reichsritter
die Zeitläufte überdauern und durchaus respektabel existieren konnten.

Zu den aus den Tagen der ottonischen und salischen Kaiser herrührenden Besonderheiten dieser
Reichsverfassung gehörte nicht zuletzt die Existenz von geistlichen Herrschaften und Staaten
, das heißt von staatlichen Gebilden, an deren Spitze ein geistlicher Herr stand, ein Bischof
oder Erzbischof, ein Abt oder Propst - nicht selten auch eine Äbtissin oder Pröpstin. Am Ende
des Heiligen Römischen Reiches umfaßten allein die Staaten dieser geistlichen Reichsstände,
das heißt der mit Sitz und Stimme auf dem Immerwährenden Reichstag in Regensburg vertretenen
geistlichen Territorien, auf ganz Deutschland bezogen eine Fläche von rund 95 000 Quadratkilometern
mit mehr als drei Millionen Einwohnern; ihr Gebiet war mithin größer als die
heutigen Bundesländer Bayern und Hessen zusammen. Allein unter die auf dem Reichstag vertretenen
geistlichen Herrschaftsträger gehörten fünf Erzbischöfe - darunter die Kurfürsten von
Mainz, Köln und Trier -, 22 Bischöfe, sieben gefürstete Äbte und Pröpste sowie 40 Prälaten,
darüber hinaus der Hoch- und Deutschmeister und der Johannitermeister mit Sitz in Heiters-
heim im Breisgau. Dabei sind in dieser Zahl die vielen landsässigen Klöster ä la Tennenbach,
Wonnental, Günterstal oder St. Peter auf dem Schwarzwald gar nicht berücksichtigt, ja selbst
das große St. Blasien ist in dieser Zahl nicht enthalten, weil sein Abt allein durch die 1613
erworbene Herrschaft Bonndorf zwar reichsunmittelbar, aber nicht reichsständisch war, und
daran änderte auch sein 1746 erworbener Fürstenrang nichts. - Die Gesamtzahl der reichsständischen
, reichsunmittelbaren und landsässigen Klöster und Stifte im Reich ist kaum zu
benennen.

Südwestdeutschland war am Ende des Alten Reiches gemessen an der Zahl der reichsständischen
und reichsunmittelbaren Herrschaftsträger, aber auch gemessen an der Fläche der von
Bischöfen und Prälaten beherrschten Gebiete, ein an geistlichen Staaten und Herrschaften ganz
besonders reicher Teil Deutschlands. Man denke nur an die Hoch- und Erzstifte von Speyer,
Worms, Mainz, Würzburg, Konstanz, Basel und Straßburg und dazu an die vielen Abteien, Klöster
und Stifte von Amorbach im Norden über Schöntal, Ellwangen, Schwarzach, Gengenbach,
Schuttern, Säckingen und Salem bis nach Oberschwaben mit seinen vielen Reichsprälaten im
Süden.

Alle diese geistlichen Staaten und Herrschaften wurden in napoleonischer Zeit kurzerhand aufgelöst
und ihr Vermögen unter dem Vorwand der Entschädigung von Verlusten, die infolge der
französischen Expansion zum Rhein eingetreten waren, an weltliche Reichsstände überlassen.

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