Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
26. und 27. Jahrgang.2006/2007
Seite: 125
(PDF, 62 MB)
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Von einer generellen ökonomischen Rückständigkeit der geistlichen Staaten und Herrschaften
am Vorabend der Säkularisation kann aber - zumindest mit Blick auf Südwestdeutschland -
überhaupt keine Rede sein. Vielmehr waren die dortigen Stifte und Klöster um 1800 stärker,
reicher und mächtiger als je zuvor. Namentlich in Oberschwaben hatten sie seit dem 16. Jahrhundert
nicht nur eine durchgreifende spirituelle Erneuerung erfahren, sondern infolge Bündelung
der Klostervermögen auch einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufschwung erlebt,
waren in der Lage, ihren Besitz zu arrondieren und von illiquiden weltlichen Potentaten ganze
Herrschaftskomplexe aufzukaufen. Daß solcher Reichtum seinerzeit ganz überwiegend auf der
Grundherrschaft beziehungsweise Landwirtschaft beruhte, wird man kaum ernstlich als Merkmal
von Rückständigkeit interpretieren wollen. Die mustergültige Klosterökonomie Salems
beispielsweise ertrug auf dieser Basis zum Zeitpunkt der Säkularisation rund 100 000 Gulden
pro Jahr. Gewiß, die Erträge eines kleineren Klosters wie etwa jenes der Zisterzienserinnen von
Wonnental waren im Vergleich dazu sehr viel unbedeutender, aber immerhin ermöglichten
auch diese Erträge einen bescheidenen Wohlstand.

Insolvenzen waren in der Welt der geistlichen Staaten die Ausnahme, und wenn einmal ein Abt
- wie jener von Schussenried beim Bau der Wallfahrtskirche in Steinhausen 1733 - seinen Etat
um ein Vielfaches überzog, wurde er zum Rücktritt gezwungen. Dabei setzten derartige Investitionsprogramme
der Prälaten stets zahllose Arbeitskräfte in Lohn und Brot, förderten Handel
und Gewerbe. Die geistlichen Herrschaften bewährten sich nämlich als konkurrenzlose
Arbeitgeber, als vielseitige Märkte und nicht zuletzt als Kreditinstitute. Daß selbst ausgiebigste
Baumaßnahmen von Prälaten mitnichten in den Ruin führen mußten, beweist das Beispiel
des Kardinals Damian Hugo von Schönborn, bei dessen Tod 1743 die Staatskasse des Hochstifts
Speyer trotz vielfältiger Baumaßnahmen - erinnert sei nur an die ausgedehnte Schloß-
und Residenzanlage in Bruchsal - einen Überschuß von 1,75 Millionen Gulden aufwies.

Demnach wurde die Begehrlichkeit der weltlichen Nachbarn ganz gewiß nicht durch Mißwirtschaft
und Hinfälligkeit der geistlichen Staaten geweckt, sondern vielmehr durch die Prosperität
und Finanzkraft der meisten unter ihnen. Dabei darf man füglich bezweifeln, daß es den
bisher prälatischen Untertanen bei den neuen Herren besser ergangen wäre als bei den alten,
begann doch das neue Regiment gewöhnlich mit der Entlassung vieler Leute, die bei Klöstern
und Stiften einen Lebensunterhalt gefunden hatten - keineswegs nur der eigentlichen Bediensteten
, sondern ebenso der vielen mitarbeitenden Alten, Kranken und Kinder. Nicht genug
damit, kamen dem ländlichen Raum außer den zuverlässigen Arbeitgebern auch die altbewährten
kirchlichen Kreditinstitute abhanden, deren Darlehen so manche Existenzgründung
ermöglicht und die Infrastruktur belebt hatten. Und ein Ende hatte es darüber hinaus mit der
von christlicher Caritas getragenen Mildtätigkeit zugunsten der Armen, jenem Wahn der Verdienstlichkeit
der guten Werke, der den geistlichen Herrschaften von ihren aufgeklärten Zeitgenossen
so gern zum Vorwurf gemacht wurde, einer sozialen Fürsorge, die es in den weltlichen
Staaten so nicht gab.

Aber auch was die allgemeine Landesadministration betrifft, kann keine Rede davon sein, daß
die geistlichen Herrschaften im ganzen rückständiger gewesen wären als die weltlichen. Zumal
die erz- und hochstiftischen Verwaltungen erreichten bis zur Säkularisation einen Rationalisie-
rungs- und Bürokratisierungsgrad, der jenem in weltlichen Territorien gleicher Größe durchaus
entsprach. Das neue Instrument des Hof- und Staatskalenders, in dem sich die administrativen
Strukturen spiegeln, führten Kurpfalz und Württemberg 1723 beziehungsweise 1736 ein, das
Erzstift Mainz 1740, die Hochstifte Speyer und Konstanz 1752 und 1759; hingegen folgten die
ansonsten so modern regierte Markgrafschaft Baden-Durlach erst 1765 und die Landgrafschaft

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