Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
26. und 27. Jahrgang.2006/2007
Seite: 126
(PDF, 62 MB)
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Hessen-Darmstadt sogar erst 1778, nur ein Jahr vor dem Fürstentum Fürstenberg. Hinsichtlich
der patriarchalischen Herrschaft der kleineren Prälaten sei aber auch daran erinnert, daß dort
gerade die altertümliche Kameralwirtschaft den circulus vitiosus von aufwendiger Modernisierung
der Verwaltung und eines für die Wirtschaftskraft der Untertanen schädlichen Fiskalismus
, wie er in den weltlichen Territorien so oft anzutreffen ist, verhinderte.

Die 1788 auf Befehl von Bischof August Philipp von Limburg-Stirum in vier Teilen edierte
,Sammlung der hochfürstlich-speierischen Gesetze und Landesverordnungen' muß den Vergleich
mit ähnlichen Unternehmungen weltlicher Staaten keinesfalls scheuen, ebensowenig
wie die vielfältigen Maßnahmen, die derselbe, im übrigen höchst eigenwillige Fürst zum
Wohle des Landes und seiner Untertanen traf: Schon bald nach seinem Regierungsantritt
(1770) regelte er das Strafprozeß- und Polizeirecht neu, schaffte den Lasterkarren, den Pranger
, die Landesverweisung und die Auspeitschung ab und führte statt dessen die Zuchthausstrafe
ein; er ordnete an, nach der Verkündung eines jeden Urteils die Parteien über bestehende
Rechtsmittel zu belehren, bekämpfte die Korruption und Vetternwirtschaft unter Räten und
Amtsträgern, sorgte für die Berufsausbildung von armen Kindern, untersagte mit zahlreichen
Erlassen die Annahme auswärtiger Kriegsdienste und setzte sich für die Verbesserung des
Gesundheitswesens ein.

In Salem erkannte der im übrigen besonders baufreudige und repräsentationsbewußte Abt
Anselm II. Schwab 1775 die Notwendigkeit, eine Waisenkasse einzurichten, damit die Waisenpflege
wohl bestellet und denen Waisen das Vermögen auch von verständigen, beaydigt und
gewissenhaften Pflegs-Vögten administriert werde. Für das Hochstift Speyer hatte Bischof
Franz Christoph von Hutten eine entsprechende Einrichtung sogar schon 1744 geschaffen, und
sein Nachfolger Limburg-Stirum erneuerte sie 1771. Im Jahr darauf dekretierte der Speyrer
Fürst überdies eine Ersparungskasse, bei der jede Gemeinde Kapitalien als gemeinen Spahr-
und Nothpfennig ansammeln sollte, um in künftigen schlechten Zeiten die den Untertanen so
verderblichen Umlagen vermeiden zu können.

Innovativ waren die geistlichen Staaten des weiteren auf dem Gebiet der Landwirtschaft. In
Oberschwaben förderten die Klöster vor allem im 18. Jahrhundert die sogenannte Vereinödung
und das nicht allein aus fiskalischem Interesse, sondern auch zur Linderung sozialer Zwangslagen
, die sich aus dem Bevölkerungswachstum in einer längeren Zeit relativen Friedens ergaben
. Die Benediktiner von Ochsenhausen betrieben bereits um 1730 eine genaue Katasteraufnahme
ihres gesamten Klostergebiets, verbunden mit einer präzisen Vermessung und Bonitie-
rung jeder einzelnen Parzelle. Der Abt von Schwarzach am Rhein veranlaßte in seinem Niedergerichtsterritorium
um 1760 entsprechende Maßnahmen, und für Obergrombach bei Bruchsal
entstand 1749 im Auftrag des Bischofs von Speyer ein Orts- und Flurkataster, das an Intensität
und kunstvoller Gestaltung seinesgleichen sucht.

Die Behauptung, die geistlichen Staaten seien wissenschaftlich und kulturell rückständig gewesen
, widerlegt sich im Grunde von selbst. Dabei bedarf es nicht einmal der Erinnerung an die
bereits eingangs erwähnten Leistungen im Schloß- und Kirchenbau. Man denke darüber hinaus
an die Ursprünge Mozarts in Salzburg oder Beethovens in Bonn. Der Erzbischof von
Mainz unterhielt eine Orchesterschule zur Rekrutierung von musikalischem Nachwuchs und
förderte entsprechende Bildungsreisen ihrer Eleven nach Italien und Österreich.

Daß die großartigen Bibliothekssäle der Klöster und Stifte heute zumeist leerstehen, ist eine
Folge der Säkularisation. Längst nicht alle, aber doch viele von ihnen - in Weingarten und
Ottobeuren mit einst 20 000 bzw. 30 000 Bänden, in Weißenau immerhin noch mit knapp

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