Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
26. und 27. Jahrgang.2006/2007
Seite: 128
(PDF, 62 MB)
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entfernte evangelische Kirchen bringen. Die allenthalben vielgerühmte konfessionelle Toleranz
des großen Preußenkönigs ist der Gleichgültigkeit verdächtig, aber gegenüber den soeben
erwähnten Kirchenfürsten läßt sich ein entsprechender Vorwurf schwerlich erheben.

Zugegeben: Von den geistlichen Staaten Südwestdeutschlands am Vorabend der Säkularisation
wurde hier ein betont positives Bild gezeichnet. Indes ging es dabei zum wenigsten um
Beschönigung, nicht darum, minder rühmliche Aspekte der geistlichen Staaten - die es selbstverständlich
ebenfalls gab - zu verschweigen. Vielmehr kam es darauf an, unzutreffenden und
allzulang unwidersprochen verbreiteten Klischees entgegenzutreten. Es kann ja nicht angehen,
den weltlichen Staaten des Alten Reiches allen Fortschritt, den geistlichen aber unbesehen alle
Rückständigkeit zuzuschreiben. Der janusköpfige Friedrich von Preußen und sein Epigone
Joseph II. in Wien waren bekanntlich nicht nur aufgeklärte Fürsten, sondern obendrein rücksichtslose
und nicht unbedingt menschenfreundliche Machtpolitiker. Wahrhaft aufgeklärte Persönlichkeiten
wie Carl August von Sachsen-Weimar und Leopold Friedrich Franz von Anhalt-
Dessau können auch unter ihren weltlichen Kollegen eher als große Ausnahmen denn als Regel
gelten. Mit Blick auf Südwestdeutschland, um das es ja hier in erster Linie geht, fallen einem
außer Karl Friedrich von Baden nicht viele wirklich „moderne" Fürsten ein. Der Wittelsbacher
Karl Theodor kann nur in seinen Mannheimer Jahren als Aufklärer gelten und mutierte später
in München zum Reaktionär; Herzog Karl August II. von Pfalz-Zweibrücken dachte nur an
Pferde, Hunde und die Jagd, im übrigen verkaufte er - ebenso wie Herzog Karl Eugen von
Württemberg - seine Landeskinder als Soldaten in die Neue Welt; Landgraf Ludwig IX. von
Hessen-Darmstadt hatte zwar eine über alle Maßen kluge Gemahlin, brachte aber persönlich
seine Tage mit kindischem Soldatenspiel zu und in seiner Unterschrift dekuvriert er sich als
Barbar.

Was uns fehlt, ist eine nüchterne, von hergebrachten Vorurteilen freie vergleichende Betrachtung
der „Staaten" und Herrschaften am Ende des Alten Reiches überhaupt. Und sollte eine solche
dereinst zu der Erkenntnis gelangen, daß man unter'm Krummstab tatsächlich nicht
schlecht lebte, bestätigte sie nicht nur eine zeitgenössisch landläufige Redensart, sondern auch
den Kritiker Friedrich Karl von Moser, der in einer vielzitierten Preisschrift von 1787 resümiert
: Fehlt in den Regierungs- Verfassungen geistlicher Staaten vieles, das besser seyn könnte
, so fehlt dagegen auch viel Schlechtes und Schlimmes, und ins Ganze genommen kann der
Weydspruch: unterm Krummstab ist gut wohnen, in Vergleichung mit den grösten weltlichen
Staaten Deutschlands noch jezo als Lob und Wahrheit gelten. Mithin zielte Mosers Kritik
eigentlich nicht so sehr auf die geistlichen Staaten als vielmehr auf die weltlichen Erbfürstentümer
, die er aus eigener Erfahrung nur zu gut kannte und offenbar wenig schätzte.

Die Säkularisation, die all dem ein Ende setzte, vollzog sich auf massives Drängen Napoleons
im Spätsommer und Herbst des Jahres 1802, das heißt: bereits ein halbes Jahr bevor die Reichsdeputation
in Regensburg ihre diesbezüglichen Beschlüsse überhaupt fassen konnte. Dieser
Vorgriff ist einmal mehr bezeichnend für Napoleons tiefe Geringschätzung gegenüber dem
Reich und seinen altehrwürdigen Institutionen, bezeichnend für die hemmungslose Dominanz
der Macht über das Recht!

Daß die Zisterzienserklöster Tennenbach und Wonnental dennoch erst 1806 säkularisiert wurden
, erklärt sich daher, daß der bislang vorderösterreichische Breisgau erst infolge des am 26.
Dezember 1805 in Preßburg zwischen Frankreich und Österreich geschlossenen Friedens an
Baden gelangte - als Belohnung für Badens großen Einsatz auf französischer Seite und dafür,
daß man in Karlsruhe Napoleons Adoptivtochter Stephanie Beauharnais als Frau des badischen

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