Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
26. und 27. Jahrgang.2006/2007
Seite: 130
(PDF, 62 MB)
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re Produktionsstätten einzurichten. Weil sonstige Interessenten ausblieben, konnten die beiden
Unternehmer in Karlsruhe auch noch eine Reihe von Sonderkonditionen aushandeln. Umbauten
und Produktion wurden daraufhin 1807 zügig in Angriff genommen. Aber letztlich blieb
der Erfolg des Betriebs aus, die Schulden der Unternehmer summierten sich immer höher und
schon Ende 1812 wurde die Fabrikation gänzlich eingestellt.

Ähnlich wie in Wonnental ging es mit vielen anderen aufgelösten Klöstern. Die mit viel Elan
begonnene protoindustrielle Nutzung der leerstehenden Klostergebäude fand zumeist ein
abruptes Ende, nicht zuletzt deshalb, weil damals - man ist an die Situation in den „neuen Ländern
" nach 1989 erinnert - viele Scharlatane glaubten, ein rasches Glück machen zu können,
indem sie eine mißliche, wenngleich mit der Säkularisation selbstverschuldete Situation des
Staates mehr oder minder skrupellos ausnutzten. Die einstigen Klostergebäude standen bald
leer, verfielen und wurden schließlich auf Abbruch versteigert, so beispielsweise in Schuttern,
Schwarzach am Rhein, Frauenalb bei Ettlingen, Tennenbach und vielerorts sonst. Es ist eine
beklagenswerte Tatsache, daß auf diese Art gerade in Baden viel historische Bausubstanz
unterging, während in Württemberg die Gebäude der in napoleonischer Zeit säkularisierten
Klöster sämtlich erhalten blieben und die Kulturlandschaft noch heute prägen und bereichern,
man denke nur an Oberschwaben und den architektonischen und künstlerischen Reichtum, den
die geistlichen Herrschaften dort hinterlassen haben!

„ Geistliche Herrschaften! Der Ausdruck ist manchem Menschen unserer Tage unsympathisch
geworden. Es ist, als wehe um ihn ein Geruch des [...] glücklich Überwundenen, Mittelalterlichen
. " Diese so modern anmutende Äußerung stammt nicht etwa aus unserer Gegenwart,
vielmehr steht sie am Anfang eines bereits vor rund 100 Jahren gedruckten Aufsatzes. Aber im
Grunde handelt es sich dabei um eine nahezu zeitlose Feststellung. Von alters her, namentlich
seit der Aufklärung, störte man sich an der vermeintlichen - oder tatsächlichen? - Unvereinbarkeit
von geistlichem Amt und landesherrlicher Stellung. Zweifel am Sinn und Zweck geistlicher
Staaten erhoben sich durchaus nicht allein auf protestantischer Seite. Auch katholische
Theologen und Kirchenhistoriker gaben zu erwägen, ob die Reichskirche nicht eher eine Lai-
sierung der Kirche als eine Klerikalisierung des Reichs bedeutet habe, und vertraten nicht selten
sogar die Auffassung, es habe der Kirche wahrscheinlich zum Schaden gereicht, daß nicht
bereits nach dem Dreißigjährigen Krieg eine vollständige Säkularisation stattgefunden hat.

In jüngerer Zeit ist es Mode geworden, die geistlichen Staaten in einem etwas milderen Licht
zu sehen und ihre positiven Seiten herauszustellen, namentlich ihre caritativen Leistungen,
daneben ihre existentielle Sinnstiftung für breite Bevölkerungsschichten und nicht zuletzt ihren
relativen Pazifismus. Eine Generation, die dem Fortschritt allenthalben mit kritischer Distanz
begegnet, vermag sich für moderne administrative und machtstaatliche Strukturen, wie sie
während des 18. Jahrhunderts in Preußen und anderen weltlichen Großterritorien entwickelt
und perfektioniert wurden, nicht mehr in dem Maße zu begeistern, wie dieses für frühere Generationen
nachgerade selbstverständlich war. So nimmt denn heute die Neigung zu, die seinerzeit
in den geistlichen Staaten beschrittenen Wege hier und da eventuell doch für praktikable
Alternativen zu halten gegenüber effektiven Staatsapparaten, wie sie anderwärts herausgebildet
wurden, und folglich ist man inzwischen auch eher bereit, die kürzlich noch geschmähte
„Rückständigkeit" der geistlichen Herrschaften differenzierter, ja wohlwollender zu betrachten
, als dieses in der Nachfolge der Aufklärung traditionell der Fall war und ist.

Vielleicht haben ja auch die Verteidiger der geistlichen Staaten gar nicht so unrecht, wenn sie
behaupten, die geistlich-weltliche Doppelstellung des Landesherrn habe eine „Versittlichung

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