Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
26. und 27. Jahrgang.2006/2007
Seite: 133
(PDF, 62 MB)
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1806 - eine Zeitenwende?

Klaus Weber

Die Ereignisse im Epochenjahr 1806 - einem von vielen turbulenten Jahren in jener Zeit
(Anhang 1) - mögen aus heutiger Sicht eher weit zurückliegend scheinen:

- Napoleon schuf östlich des Rheins als „natürliche Grenze" Frankreichs eine breite Sicherheitszone
unter französischem Protektorat bis tief nach Bayern. So entstand unter anderem
ein neuer souveräner Einheitsstaat Baden (Anhang 2).

- Zusammen mit Württemberg, Bayern, Berg, Hessen und vielen anderen Staaten entwickelte
sich der Rheinbund. Das bedeutete den Untergang des alten Heiligen Römischen Reiches mit
der Hauptstadt Wien (= das so genannte Alte Reich).

- Für Baden entstand „eine neue Zeit": Karlsruhe statt Wien. Karlsruhe wurde die Hauptstadt
eines relativ liberalen, nach damaligem Verständnis „modernen" Großherzogtums.

- Am 28. März 1806 - also vor etwa 200 Jahren - fand in Freiburg die Übergabe des Breisgaus,
d.h. seines vorderösterreichischen, katholischen Teils, an den neuen Bundesstaat statt.

- Der Breisgau war 583 Jahre lang vorderösterreichisch und katholisch gewesen, er hatte eine
eigene Universität und besaß zahlreiche Klostergüter (Tennenbach, St. Peter, St. Blasien u.a.).

- Sorgen und Hoffnungen beeinflussten damals die Grundstimmung der Bevölkerung:

• Sorgen: Unsicherheit, was in dem neuen Fürstenstaat auf die Menschen zukommen würde,
der „Held" Napoleon und die französische Kultur? Französisches Protektorat, Abgaben an
das Militär und Gestellung von Soldaten für den Krieg gegen Preußen/Österreich, Trauer
über die Trennung von Wien, Erhaltung der katholischen Freiburger Universität neben der
zweiten Universität Heidelberg im protestantischen Landesteil, Bewahrung der Benediktinerabtei
St. Peter, einer Zähringer-Gründung, und der Benediktinerabtei St. Blasien vor der
Säkularisierung.

• Hoffnungen: Markgraf Karl Friedrich war auch den Menschen im Breisgau als Integrationsfigur
bekannt. Er galt als Landesvater. Das Land Baden vergrößerte sich flächenmäßig
durch die Säkularisierung um das Vierfache, ebenso die Bevölkerungszahl. Man hoffte,
dass die Franzosen das Land bald wieder verlassen würden. Die verfassungsmäßige Neuordnung
dieses Staates formte dann auch die Grundlage für die Entwicklung vom territorialen
Kunstgebilde zum "Musterländle":

Der Übergang zu einer bürgerlichen Leistungsgesellschaft. In erstaunlich kurzer Zeit entwickelten
sich ein spezifisch badischer Verfassungspatriotismus und ein badisches Nationalgefühl
. Jedenfalls schrieb schon Ende 1818 - die Verfassung war gerade vier Monate in Kraft -
der Freiburger Staatsrechtslehrer Karl von Rotteck, sie sei „die Geburtsurkunde des badischen
Volkes", und zwar im Sinne einer neuen und höheren politischen und sozialen Einheit als sie
Breisgauer, Durlacher und Markgräfler je dargestellt hätten. Ein liberaler Grundzug war sicherlich
das stärkste Bindemittel, das Einheitlichkeit verlieh. Das 1822 fertiggestellte Karlsruher
Ständehaus war das älteste deutsche Parlamentsgebäude überhaupt. Der vielfach zerklüfteten
Konfessionslandschaft wurde mit größtmöglicher Toleranz begegnet und nicht zuletzt ist an
einen Dichter zu erinnern, der mit seinen „Kalendergeschichten", dem „Lahrer Hinkenden
Boten" und seinem „Rheinischen Hausfreund" wesentlich zu einem badischen Identitätsbe-
wusstsein beitrug: Johann Peter Hebel.

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