Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
26. und 27. Jahrgang.2006/2007
Seite: 288
(PDF, 62 MB)
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Die Initiative zur Anfertigung des neuen Prägestempels, sicherlich als Ersatz für während des
Krieges verloren gegangene Vorläuferexemplare, dürfte wohl vom damaligen Stadtschreiber,
dem studierten Juristen Johann Conrad Reichlin ausgegangen sein. Reichlin versah dieses Amt
21 Jahre lang. Im Herbst 1655, zufällig genau vor 350 Jahren, setzt - in der Handschrift Reichlins
- der älteste erhaltene Band der Kenzinger Ratsprotokolle ein. Und, datiert auf den letzten
Tag des Jahres 1675, ist in Abschrift von späterer Hand ein von Gericht und Rat der Stadt an
Reichlin adressiertes Glückwunschschreiben zum Neuen Jahr überliefert, in dem ihm zugleich
der Stadtschreiberdienst auch für das Jahr 1676 aufgetragen wird. Dieses Schreiben wird ebenso
zu sehen sein, wie eine von seinem Nachfolger verfasste Aufstellung über die Jahresbesoldung
des am 31. März 1677 verstorbenen Stadtschreibers Reichlin sowie besagter Band der
Ratsprotokolle. In Ergänzung dazu wird auch ein von Reichlin geführtes "Klitterbuch" gezeigt
(klittern = zusammenschmieren). Es ist das einzige überhaupt erhaltene Schmier- oder besser
Notizheft eines Kenzinger Stadtschreibers. Darin finden sich neben Erstprotokollen von Ratssitzungen
, Grundlage für die Übertragung in die Reinschrift der Endfassung, auch Konzepte
von Nachlassinventaren und Heiratsabreden, letztere Vorläufer heutiger Eheverträge. Diese
wurden dann teils einzeln ausgestellt und manchmal gesiegelt, teils aber auch, ebenso wie beispielsweise
Kaufverträge oder Pfandverschreibungen, in das städtische „Contracten-Proto-
koll" eingeschrieben, das ebenfalls ausgestellt wird.

Mit ihren Beschlüssen zu unterschiedlichsten Themen spiegeln die Ratsprotokolle die ganze
Bandbreite Kenzinger Kommunalpolitik nach dem Dreißigjährigen Krieg wider. Sie dokumentieren
, mit welchen Mitteln und Maßnahmen Schultheiß, Bürgermeister und Rat der Stadt
den Wiederaufbau Kenzingens und die Wiederbevölkerung nach den massiven Einwohnerverlusten
der Kriegsjahrzehnte zu befördern suchten. Ebenso erfahren wir aus ihnen, wenn auch
amtlich gefiltert, manches über den Alltag jener Jahre. Auffällig sind etwa die in fast jeder
Ratssitzung verhandelten Scheit- und Schlaghändel zwischen Einwohnern der Stadt. Sie
mögen teilweise vielleicht aggressive Spätfolgen von Kriegstraumatisierungen und gelegentlich
Auswüchse einer engen gegenseitigen Sozialkontrolle gewesen sein. In einigen Fällen sind
sie allerdings auch eindeutig zurückzuführen auf Konflikte zwischen Alteingesessenen und neu
Zugezogenen.

Der ausgestellte Protokollband ist übrigens auch verwaltungsgeschichtlich von größtem Interesse
, verwendet Stadtschreiber Reichlin darin doch wiederholt den damals vermutlich brandneuen
Ausdruck "Behörde" im heute gebräuchlichen Sinn - ein halbes Jahrhundert bevor er laut
Duden-Herkunftswörterbuch bisher im deutschen Sprachgebrauch nachweisbar ist. Gleichfalls
zu sehen sein wird eine sehr schöne, großformatige Kaiserurkunde auf Pergament aus dem Jahr
1666 mit großem, leider beschädigtem Kaisersiegel, mit der Leopold I. die Privilegien der
vorderösterreichischen Stadt Kenzingen bestätigte. Auch dazu erzählen die Ratsprotokolle eine
kleine Geschichte ...

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