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Das Wort der Dichter und Denker
Leidenschaftliches Suchen nach einer philosophisch ursprünglich fundierten Theologie führten
Ochsner 1915 zu Martin Heidegger, nachdem er zuvor einige Jahre Vorlesungen bei Professor
Bernhard Welte gehört hatte. Edmund Husserl vermittelte ihm in seiner phänomenologischen
Methode das Gestalten religiösen Denkens. Beide Persönlichkeiten waren die maßgeblichen
Träger des großen Neuaufbruchs am Beginn und über die Mitte des letzten Jahrhunderts hinaus
. Schon als Gymnasiast beschäftigte er sich mit den Texten des Meister Eckhart. Pascal
und die profilierten Denker der katholischen Tübinger Schule faszinierten ihn. In Bachs Klangwelt
offenbarte sich dem sensiblen Jüngling ein musikalischer Kosmos. Es waren die Jahre des
religiösen Impetus, der Wiederentdeckung der Mystik. Ochsner pflegte während seiner Zeit der
Marburger Studien auch enge Kontakte mit bedeutenden Religionswissenschaftlern wie Friedrich
Heiler und Rudolf Otto.
Auch der renommierte Interpret der mittelalterlichen Kunst, Ernst Robert Curtius, Hans-Georg
Gadamer und Max Scheler regten sein Erkenntnisstreben an. Er selbst wurde nicht nur Freund,
sondern auch Anreger wichtiger geistiger Zeitgenossen. Schon frühzeitig entdeckte der sprachbegabte
Studiosus das Wort der Dichter. Für ihn galten Hölderlin, Trakl und Rilke als die Mitsprechenden
. Viele Schriften des Zen-Buddhismus, des Hinduismus, der Koran, wie auch der
arabische Sufismus bereicherten seine Geisteswelt und ergänzten den reichen Schatz der europäischen
Literatur. Seine Frömmigkeit war und blieb die Frömmigkeit der Psalmen.
Für den Religionswissenschaftler aus Meßkirch Bernhard Welte wurde der promovierte Doktor
der Philosophie aus Kenzingen zum lebenslangen Freund und zum ebenbürtigen
Gesprächspartner. „ Ohne Ochsner hätte ich nicht den Versuch wagen können, den geistigen
Impuls des Christentums in der Auseinandersetzung mit den entscheidenden gedanklichen Aufbrüchen
der Zeit neu zu gewinnen "\ bekennt er später. "Ochsner war kein Proletarier, kein
Bürger, noch weniger ein Kapitalist, er war kein Idealist, kein Realist, kein Konformist, [...]
kein Existenzialist, kein Thomist, kein Hegelianer ...3." Leidenschaftlich engagierte er sich für
den Menschen, für den Einzelnen, den Armen, den Verfolgten, den auf sich Zurückgeworfenen,
den Suchenden und Zweifler. Am engsten war seine Zusammenarbeit mit Edmund Husserl und
Martin Heidegger. Er hat die Frühentwicklung seines verehrten Lehrers Heidegger begleitet
und in nicht geringem Maße beeinflusst. Mit ihm war er überzeugt, dass die Theologie einer
einschneidenden Reform bedürfe, dass die alten Gedanken neu zu denken sind; lange vor Küng
und Drewermann! Leider war Ochsner aufgrund seiner gesundheitlichen Disposition den
Anforderungen einer akademischen Laufbahn nicht gewachsen, so beschränkte er sich auf ein
Dozentendasein.
Privatdozent und Lektor
Schon vor Hitlers Machtergreifung erkannte Ochsner die drohende politische Gefahr. Heideggers
Haltung im Jahre 1933 war ihm unverständlich4. Seine neue Aufgabe eines wissenschaftlichen
Mitarbeiters und Lektors im Lambertus Verlag in der Zentrale des Deutschen Caritasverbandes
brachte ihn mit Menschen aller sozialen und akademischen Gruppierungen zusammen
. Zugleich verschaffte ihm seine neue Tätigkeit (1934) eine gewisse Distanz und Rückendeckung
gegenüber den herrschenden politischen Kreisen. Ochsner sprach oft bei Referenten-
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