Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
30. und 31. Jahrgang.2010/2011
Seite: 14
(PDF, 63 MB)
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spiel von Gyöngyös hatten wir oben bereits erwähnt. Auch anderwärts sind noch im barocken
Stil vor allem freistehende St. Urban-Statuen errichtet worden, um als Gebetesstationen insbesondere
bei Flurprozessionen zu dienen. Einer dieser Orte ist Etyek, ein seit dem 18. Jahrhundert
jeweils hälftig von Ungarn und seit dem 18. Jahrhundert - nach den Osmanenkriegen - von süddeutschen
Einwanderern besiedelter Ort. Hier fanden sich bis zum Zweiten Weltkrieg mehrere
St.-Urban-Bildwerke in barocker Stilistik, und jährlich mindestens einmal dienten sie als Zielpunkte
von Prozessionen der Weinbauern. Nach der Staatsumwälzung in Ungarn 1949 wurde
diese Bildwerke teilweise zerstört: Unbekannte schlugen ihnen in den 1950er-Jahren die Arme
und Häupter (also die Tragelemente der Insignien Tiara und Kreuz) ab. Der vom ungarischen
Volkskundler Läszlö Lukäcs eruierte Eintrag aus dem historischen Etyeker Kirchenbuch erweist
indessen, dass ursprünglich eine Papstgestalt auf den Sockeln gestanden hatte39.

Schon in den 1970er-Jahren aber kam es im Ort selbst zu privaten Renovierungsbemühungen
an diesen Heiligenstatuen. Überdies wurde auch schon 1981 eine neu gestaltete Urbanstatue
von einem Winzer privat in Auftrag gegeben, vor dessen Kelterhäuschen aufgestellt und am 24.
Mai desselben Jahres auch unauffällig gesegnet40. Die Figur trägt jedoch nicht mehr die klassisch
konventionalisierten Heiligenattribute, da die Kopfbedeckung nicht eindeutig als Tiara oder
Mitra auszumachen ist und der am rechten Arm getragene, stilisierte Kreuzstab kein Dreifachkreuz
hat. Seit den 1980er-Jahren wurde hier jeweils am Sonntag nach dem 25. Mai eine kleinere
katholisch-religiöse Zeremonie (Allerheiligen-Litanei) abgehalten41.

Seit der politischen und der Jahrtausendwende, seit die beiden historischen Flur-Statuen am 25.
Mai 2000 und am 25. Mai 2002 wieder neu hergestellt und von Neuem geweiht worden sind,
findet hier jeweils am Wochenende Ende Mai/Anfang Juni eines der größten internationalen
Weinfeste Ungarns statt, mit Preisverleihungen und Märkten, auch mit Auftritten deutscher Folkloregruppen
. Die neuere, 1981 errichtete Urbanstatue zeigt man auf dem Einladungsportal und
der Programmankündigungsseite gewissermaßen als Etikett42. Das umfangreiche Programm der
neuen Festtage, zu denen seit dem Jahr 2003 ebenfalls immer an Samstag und Sonntag um den
25. Mai eingeladen wird, weist Charakteristiken moderner Feste auf: Sportwettkämpfe wie das
Fußballspiel zwischen den einheimischen Winzern und angereisten Politikern, internationale
Volkstanzvorführungen, darunter auch dezidiert „schwäbische" Gruppen („sväb nepfijtänc")43,
insbesondere aber mehrere moderne Musikdarbietungen mit einem eindeutigen Schwerpunkt
auf Jazz-Bands. In Etyek wird zum Urbansfest regelmäßig ein Degustationswettbewerb von
Weinen (und Weinbränden) ausgelobt. Beim Festereignis 2004 fand die Ergebnisbekanntgabe
an der alten, renovierten St.-Urban-Heiligenfigur der Familie Szeitzam im Flurteil Öreg-Hegy
statt. („Hegyközsegi borverseny eredmenyhirdetese es hagyomänyos Orbän-napi megemlekezes
az öreghegyi Orbän szobornäl"/"Ergebnisbekanntgabe des Weinwettbewerbs der Berggemeinde
und traditionelle Urban-Tag-Gedenkfeier an der Urbanstatue am Altberg")44. Wir haben damit
hier eine Koinzidenz von Gebet und Leistungsprobe bzw. Leistungsschau der lokalen önologi-
schen Produkte am Bildwerk des historischen Patronatsheiligen, allgemein sinnbildlich gesehen
aber die Wächterfunktion des historischen Patronatsheiligen über die Arbeitsresultate (nämlich
die der zum Wettbewerb eingereichten Produkte)45.

Im Jahr 2006 war eine lokalgeschichtliche Ausstellung der heutigen Etyeker Deutschen Vereinigung
(„Helytörteneti Kiällitäs'V'Etyeki Nemetek Egyesülete")46 ins Programm des Urbanfestes
integriert. Dieses Urban-Fest diente also unter anderem auch der geschichtlichen Erinnerung an
die Besiedlungsphase der deutschsprachigen Etyeker. Es mag zudem Werbung sein für diesen
Teil der Vergangenheit und somit der Ermöglichung oder Erleichterung von Kontakten in der
internationalen, sicher auch in österreichischer und (bundes-)deutscher Perspektive dienen.

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